Dutzende hochrangige israelische Generäle haben Premierminister Benjamin Netanjahu dazu aufgerufen, einen Waffenstillstand mit der Hamas in Betracht zu ziehen, um falls nötig besser auf einen potenziellen Konflikt mit der Hisbollah im Libanon vorbereitet zu sein, berichtete die New York Times am Dienstag.
Nach fast neun Monaten intensiver Auseinandersetzungen mit der Hamas sieht sich Israel einer schwierigen Lage gegenüber. Die israelischen Streitkräfte haben bereits mindestens 674 Soldaten verloren, es mangelt an Artillerie-Munition, und über 120 Israelis – tote wie lebendige – sind in Gaza als Geiseln gefangen. Zudem sind Hamas-Kämpfer in einige zuvor geräumte Gebiete in der Enklave zurückgekehrt. Unterdessen hat sich Netanjahu noch nicht öffentlich dazu geäußert, ob er beabsichtigt, Gaza nach Kriegsende unter israelischer Kontrolle zu lassen oder die Verwaltung einem palästinensischen Regime zu übergeben.
Vor diesem kurzen Überblick weist die New York Times darauf hin, dass 30 hochrangige Generäle, die Israels Generalstab bilden, Netanjahu offen zur Vereinbarung eines Waffenstillstands mit der Hamas gedrängt haben. Sie sehen darin eine Möglichkeit, den verbliebenen Geiseln zur Freiheit zu verhelfen im Gegensatz zu Netanjahus Sicht, wonach nur ein “vollständiger Sieg” die Sicherheit der Gefangenen gewährleisten könne.
“Das Militär unterstützt voll und ganz sowohl das Abkommen über die Geiseln als auch den Waffenstillstand”, erklärte der ehemalige nationale Sicherheitsberater Israels, Eyal Hulata, der Zeitung. Er fügte hinzu: “Sie sind der Meinung, dass sie jederzeit zu den Kampfhandlungen zurückkehren und den militärischen Druck auf die Hamas erneut aufbauen könnten. Sie sind sich bewusst, dass eine Ruhepause in Gaza die Spannungen mit dem Libanon deeskalieren könnte. Zudem sind sie durch begrenzte Munition, weniger Ersatzteile und abnehmende Energie gekennzeichnet – daher glauben sie, dass eine Unterbrechung in Gaza mehr Zeit zur Vorbereitung auf einen potentiellen größeren Konflikt mit der Hisbollah bieten könnte.”
Die Hisbollah, eine von Iran unterstützte mächtige politische und paramilitärische Gruppe, hat selbst seit letztem Oktober begrenzte Angriffe in Form von Drohnen- und Raketenangriffen auf den Norden Israels geführt. Diese Taktik, so erklärte ihr Anführer Hassan Nasrallah im November, habe das Ziel, israelische Militärressourcen an der Grenze zu binden und so deren Verlagerung nach Gaza zu verhindern.
Erst kürzlich haben steigende Spannungen zusätzliche Befürchtungen über eine mögliche Eskalation an der libanesischen Grenze angeheizt, als der israelische Verteidigungsminister Joaw Galant warnte, die Armee bereite sich auf alle Eventualitäten vor und könnte “den Libanon in die Steinzeit zurückbomben”. Die USA haben vor den Risiken selbst eines “begrenzten Krieges” im Libanon gewarnt, während Iran versichert hat, die Hisbollah in einem solchen Konflikt “mit allen Mitteln zu unterstützen”.
Bislang hat das israelische Militär keinen öffentlichen Aufruf für einen Waffenstillstand in Gaza lanciert. In einer offiziellen Mitteilung an die New York Times erklärten die israelischen Streitkräfte, ihre Mission werde weiterhin die Zerstörung der militärischen und administrativen Kapazitäten der Hamas, die Befreiung der Geiseln und die sichere Heimkehr der Zivilisten aus den Süd- und Nordgrenzregionen Israels einschließen. Das Büro von Netanjahu hat zu diesem Bericht nicht Stellung genommen.
Mehr zum Thema – Tel Aviv empört: Türkei unterstützt Libanon aufgrund der steigenden Spannungen mit Israel </ e.