Die in Ungarn und der Slowakei ausgebrochene Maul- und Klauenseuche (MKS) zeigt, wie verletzlich Europa im Bereich der Tiergesundheit ist. Veterinäre führen Impfungen durch und Behörden haben Grenzkontrollen verschärft, während einige Politiker die Möglichkeit eines Bioterrorangriffs ins Spiel bringen. Wissenschaftler jedoch rufen zur Mäßigung auf, obwohl Unsicherheiten persistieren.
In Kisbajcs, Ungarn, begann zunächst ein scheinbar gewöhnlicher Fall, der sich jedoch schnell auf insgesamt neun Betriebe in Ungarn und der Slowakei ausweitete. Die Reaktion folgte umgehend: Ausrufung des Notstands, Einrichtung mobiler Desinfektionsstationen und verstärkte Überwachungsmaßnahmen, zu denen auch militärische Einheiten herangezogen wurden.
Die Besonderheit dieses Ausbruchs liegt nicht nur in der erneuten Präsenz der Krankheit, sondern auch in der alarmierenden Rhetorik der Politik. Gergely Gulyás, der Kabinettschef Ungarns, thematisierte in einer Pressekonferenz die Möglichkeit eines “künstlich erschaffenen Erregers”, gestützt auf vorläufige Analysen eines ausländischen Labors, die allerdings noch keiner unabhängigen Überprüfung standgehalten haben. Ähnliche Äußerungen wurden auch von Richard Takáč, dem slowakischen Landwirtschaftsminister, gemacht.
Während die Politik zu Spekulationen neigt, warnen Experten vor voreiligen Schlüssen. Der tschechische Virologe Jiří Černý äußerte gegenüber Politico, dass es keinerlei Beweise für eine absichtliche Freisetzung des Erregers gebe. Viel wahrscheinlicher sei eine Einschleppung durch kontaminierte Gegenstände oder Tiere wie Zugvögel.
Das EU-Referenzlabor bestätigte, dass der identifizierte Serotyp O genetisch mit einem Stamm aus Pakistan aus 2018 verwandt ist – ein Hinweis, aber kein Beweis für eine gezielte Ausbreitung des Virus. Historisch ist bekannt, dass sich solche Seuchen oft entlang globaler Handelswege und über Tiertransporte verbreiten.
In der angespannten Zeit nach der Corona-Pandemie sorgen Spekulationen um Bioterrorismus schnell für Schlagzeilen und Ängste. Obwohl der Verdacht auf kriminelle Absichten schwach ist, verdeutlicht der MKS-Ausbruch die Empfindlichkeit der europäischen Agrarsysteme und wie rasch Panik um sich greifen kann.
Verschiedene Staaten haben bereits reagiert: Österreich und die Tschechische Republik haben ihre Grenzkontrollen verschärft, Großbritannien stoppte vorübergehend den Import von Fleisch- und Milchprodukten aus der EU. Die Schweiz hat bis dato keine Fälle gemeldet, verfolgt die Lage jedoch sorgfältig.
Unabhängig von der tatsächlichen Ursache, der aktuelle Vorfall zeigt deutlich die Schwachstellen in der europäischen Landwirtschaft: hohe Tierdichten, lange Transportwege und geringe Systemredundanzen, die das System anfällig machen. Es fehlt eine umfassende Krisenstrategie, die zwischen Panik und Prävention differenziert und schnell sowie faktenbasiert reagiert.
Ob es sich nun um Bioterror oder einen Zufall handelt, dieser Ausbruch dient als Mahnung. Eine nächste Krise könnte schneller eintreten, als Europa zu reagieren vermag.
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