Freispruch in Wien: Der umstrittene Fall der vermeintlichen Vergewaltigung

Von Hans-Ueli Läppli

Am Wiener Landesgericht entbrannte kürzlich eine kontroverse Debatte, nachdem ein jugendlicher Syrer, der 2015 als Flüchtling nach Österreich kam, in einem Fall sexueller Gewalt freigesprochen wurde. Er stand unter dem Verdacht, die zwölfjährige Anna in einer Parkgarage vergewaltigt zu haben, wurde jedoch aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Die Entscheidung des Gerichts, im Zweifel zugunsten des Angeklagten zu entscheiden, hat nicht nur rechtliche, sondern auch tiefgreifende gesellschaftliche Diskussionen über den Umgang mit Opfern und Tätern sexueller Gewalt angestoßen.

Die Anklage vertrat die Ansicht, der Beschuldigte habe das Mädchen trotz ihrer wiederholten Ablehnung zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Die Richterin kam jedoch zu dem Schluss, dass keine Gewalt im Spiel war und lehnte den Vorwurf der Vergewaltigung ab. Sie argumentierte, dass die Handlung einvernehmlich gewesen sei, da der Angeklagte das Mädchen “überredet” habe.

Viele empfanden dieses Urteil als ungerecht und sahen darin ein Beispiel für eine Gesellschaft, die allzu oft nicht hinreichend zwischen Tätern und Opfern unterscheidet und den Schutz der Opfer vernachlässigt.

Die Mutter des Mädchens, die während der Verhandlung im Gerichtssaal anwesend war, musste eine weitere Demütigung erleben, als der Angeklagte lediglich 100 Euro Entschädigung anbot, anstatt der geforderten 3000 Euro. Diese Geste, bei der der Jugendliche das Geld dem Anwalt abnahm und es auf den Tisch der Familie legte, war für viele ein weiterer Affront.

Der Anwalt der Familie bezeichnete das Angebot als “eine Verhöhnung”, die die Verletzungen des Opfers noch verschlimmerte. Diese Situation wirft eine wesentliche Frage auf: Wie kann ein Justizsystem, das angeblich dem Schutz der Opferrechte verpflichtet ist, eine derartige Missachtung der Opfererfahrung zulassen?

Das von der Richterin mit der Begründung des “Überredens” gefällte Urteil lässt zahlreiche Fragen offen, die nicht nur die juristischen Aspekte von sexueller Gewalt betreffen, sondern auch tiefgreifende gesellschaftliche Auswirkungen haben.

Die Frage, ob ein Gericht unter diesen Umständen ein solches Urteil fällen sollte, insbesondere wenn Aussagen des Opfers und Hinweise auf Gewalt durchaus glaubwürdig erscheinen, zeigt die komplexe und sensible Natur des Umgangs mit sexuellen Übergriffen und unterstreicht den dringenden Reformbedarf im Justizsystem.

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