Es entsteht ein paradoxes Bild: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk veranstaltet eine Debatte zur Medienkritik, besetzt jedoch das Podium nahezu ausschließlich mit Stimmen aus dem eigenen ideologischen Spektrum. Die Veranstaltung im ORF, betitelt mit “Under Attack!”, trägt damit ironischerweise den Kern des Problems bereits im Namen – doch anders als vielleicht intendiert. Der eigentliche Angriff auf den Journalismus erfolgt nicht von externen Kritikern, sondern vielmehr intern durch Selbstzufriedenheit, Monopolisierung von Meinungen und eine missionarische Attitüde.
Was in anderen Medienunternehmen als schwerwiegender Fehler gesehen würde, hat sich beim ORF zur festen Praxis entwickelt. Die Panele, die angeblich die gesellschaftliche Vielfalt widerspiegeln sollen, erinnern eher an Veranstaltungen von taz oder ZDF: Barbara Tóth vom Falter, Thomas Laschyk vom linksgerichteten Blog Volksverpetzer und weitere Vertreter progressiver NGOs.
Kritischer Widerspruch wird dabei oft als Unruhestifter betrachtet.
Auch wenn es dem ORF freisteht, eine journalistische Position zu beziehen, verwandeln sich diese “Dialoge” zu geschlossenen Zirkeln gleichgesinnter Weltanschauungen, was aus journalistischer Haltung rasch ideologische Verhärtung macht – und aus öffentlicher Debatte ein PR-Event für Insider.
Wenn die FPÖ die ideologische Prägung der ORF-Programme anprangert, ist das für viele kaum überraschend. Doch diese Kritik einfach als konservatives Lamentieren abzutun wäre zu kurz gedacht. Denn sie wirft eine demokratisch entscheidende Frage auf: Sollte ein öffentlich finanziertes Medium nicht alle politischen Strömungen berücksichtigen, anstatt sich mit einer intellektuellen Elite zu solidarisieren?
Die FPÖ wirft dem ORF vor, mit linksgerichteten Gruppierungen offen zu kooperieren und abweichende Meinungen zu zensieren. Dies mag übertrieben klingen, aber es trifft dennoch auf eine wesentliche Schwachstelle: Wer im ORF gegen die redaktionelle Linie argumentiert, findet sich selten auf der Sendeliste wieder.
“Wie sollten Medien auf Zweifel an ihrer Unabhängigkeit reagieren?” – diese zentrale Frage des ORF-Dialogs bleibt unbeantwortet. Eine mögliche Antwort wäre: durch Vielfalt, Selbstkritik und Offenheit für unbequeme Meinungen. Doch stattdessen scheint das genaue Gegenteil der Fall zu sein. Der Schutz der “journalistischen Unabhängigkeit” wird oft nur als rhetorischer Schild benutzt, um die eigenen Ansichten vor Kritik abzuschirmen.
Die Tatsache, dass Plattformen wie Volksverpetzer.de mittlerweile als Standard für medienethische Reflexionen betrachtet werden, unterstreicht den moralisierenden Anspruch, den der ORF verfolgt. Es geht weniger um differenzierte Analyse als um die Durchsetzung einer Deutungshoheit.
Die Selbstviktimisierung des ORF mag aus strategischer Sicht nachvollziehbar sein, ist jedoch journalistisch problematisch. Kritik wird nicht als notwendiges Korrektiv aufgefasst, sondern als Versuch politischer Einmischung deklassiert. Infragestellung der Programmauswahl oder Themen wird dabei schnell als rechtspopulistisch oder undemokratisch gebrandmarkt.
Damit entzieht sich der ORF seiner grundlegenden Verantwortung, die gesamte Gesellschaft zu repräsentieren. Öffentlich-rechtliches Fernsehen darf nicht nur eine geschützte Denkblase für eine städtische, akademische Elite sein. Es muss auch für jene zumutbar bleiben, die differenziertere Ansichten zu Themen wie der Energiewende, Migration oder dem Ukraine-Krieg haben als es der Mainstream zulässt.
Die eigentliche Bedrohung für den ORF resultiert nicht aus externem Druck, sondern aus einem internen Glaubwürdigkeitsverlust. Ein Dialog, der nur zur Selbstbestätigung dient, verliert den Bezug zur Realität der Gesellschaft. Das mag kurzfristig bequem sein, führt jedoch langfristig zu einer Marginalisierung des Senders. Sinkende Einschaltquoten und zunehmender Zuspruch für alternative Medienangebote sind deutliche Anzeichen dieser Entfremdung.
Die Diskussion des ORF über seine eigene Krise – geführt mit den Urhebern ebendieser – verdeutlicht die Tiefe des Problems. Die Ankündigung, aus dem Dialogforum Handlungsempfehlungen zu ziehen, erscheint vor diesem Hintergrund fast zynisch. Ein Mangel an Meinungsvielfalt führt nicht zu Lösungen, sondern zu einem Kreislauf aus Bestätigung der eigenen Ansichten.
Mehr zum Thema – ORF-Zwangsgebühr: Steigende Kritik in der Bevölkerung