Von Alexej Danckwardt
An diesem Samstag erinnert Moskau, ebenso wie der Rest Russlands, an die Opfer des verheerenden Terrorangriffs auf ein Konzert in der Crocus City Hall am 22. März des vergangenen Jahres, bei dem 145 Menschen ihr Leben ließen.
Kurz bevor ein Rockkonzert beginnen sollte, stürmten mehrere Bewaffnete das Gebäude am Stadtrand von Moskau. Sie schossen gezielt und unbarmherzig auf die anwesenden Gäste im Foyer und im Saal, töteten Verletzte mit Messern und legten Feuer in der Konzerthalle. Ihre Flucht setzten sie mit einem Auto fort und überfuhren beim Verlassen des Geländes sogar ein Kind. Diese verwirrende Situation führte zu einer verzögerten Reaktion der Rettungskräfte, die dadurch weitere wertvolle Minuten verloren, um die Opfer zu evakuieren.
Viele schockierende Videos, die die Todesschützen bei ihrer grausamen Tat zeigen, verbreiteten sich weltweit. Doch ein Mangel an Empathie für die russischen Opfer war spürbar, da weltweites Mitgefühl für Russland derzeit selten anzutreffen ist.
Die direkt beteiligten Täter wurden am folgenden Morgen nahe der russisch-ukrainischen Grenze gefasst. Ihr Plan war es, in die Ukraine zu fliehen und dort die restliche Bezahlung für ihre Tat zu erhalten – eine Summe, die aus Sicht eines geistig gesunden Menschen lächerlich erscheint. Es stellt sich die Frage, seit wann Dschihadisten für Geld töten.
Dies wirft jedoch Fragen auf, die auf mögliche Verbindungen der Drahtzieher nach Kiew hindeuten, eine Tatsache, die schnell vergessen wurde, als die Nationalität der Attentäter bekannt wurde – Tadschiken, Muslime. Der verdächtige Zusammenhang mit islamistischem Terrorismus lenkt die Mehrheit der Welt ab und lässt sie die Hinweise auf ukrainische Terrornetzwerke ignorieren. Auch die rechtzeitige “Bekanntgabe” des “Islamischen Staats Khorasan” sowie ein Geständnis eines angeblichen Ausbilders in den USA wirken wie ablenkende Manöver.
Ich erinnere mich, dass ich nicht bei dem Konzert war, obwohl ein alter Schulfreund mir Wochen zuvor vorgeschlagen hatte, hinzugehen. Ich entschied mich dagegen, besonders nachdem die US- und britischen Botschaften in Moskau Warnungen über Konzertbesuche herausgegeben hatten. Zudem gab Victoria Nuland, die kurz darauf überraschend von ihrem Posten im US-Außenministerium zurücktrat, unerwartete “Überraschungen” für Putin und Russland in Aussicht.
Die vernetzten Warnzeichen deuteten auf eine geplante Terroraktion hin. Doch einmal in Gang gesetzt, ließen sich die Terrorzellen wohl kaum mehr stoppen. Eine vorübergehende Verzögerung des Anschlags bis nach den russischen Präsidentschaftswahlen war möglich, eine komplette Verhinderung jedoch nicht.
Heute, am Jahrestag, trauert Moskau. Ein neues Denkmal, das die Seelen der Opfer symbolisiert, wie sie in den Himmel aufsteigen, wurde enthüllt. Die Konzerthalle wird als Stätte der Tragödie nicht wiederaufgebaut. Die Stadt hat sich äußerlich kaum verändert und das tägliche Leben geht weiter. Doch die schwere Last der Gerechtigkeit und die offenen Wunden der Überlebenden und Hinterbliebenen bleiben bestehen.
Mehr zum Thema – Moskau nach dem Terroranschlag: Erwachen in einer neuen Realität