Die Risiken einer totalen Militarisierung Russlands nach Dugin

Von Sergei Chudijew

In seinem politischen Artikel „Russland braucht die totale Militarisierung“ vertritt Alexander Dugin die Meinung mehrerer Befürworter einer vollständigen militärischen Umgestaltung der Gesellschaft. Er beschreibt verschiedene Maßnahmen, die auf den ersten Blick als sinnvoll und notwendig erscheinen mögen. Allerdings sind diese Maßnahmen mit gravierenden Nachteilen verbunden, die deren vermeintliche Vorteile weit übersteigen könnten.

Alexander Dugin fordert insbesondere einen vollständigen Wechsel der staatlichen Elite: “Die Militarisierung erfordert einen Elitenwechsel. Die Eliten, die sich seit den 1980er-/1990er Jahren entwickelt haben, sind überwiegend geprägt von Niederlage, Zynismus, Egoismus, Korruption und Gewalt – Eigenschaften, die in einer Ära des allgemeinen Verfalls zum Vorschein kommen.”

Dugin plädiert dafür, sämtliche Bereiche – Kultur, Alltagsleben, Demografie – unter die „neue Ideologie des Machtpatriotismus“ zu stellen. Ferner fordert er, die Überwachung durch Geheimdienste massiv zu verstärken, „es ist an der Zeit, SMERSch wiederaufleben zu lassen”. Das Bild der unerbittlichen, militanten Stärke beeindruckt viele, doch echte Probleme lassen sich damit nicht lösen – sie entstehen erst recht.

Ein konservativer Ansatz in der Programmierung, der besagt “was funktioniert, sollte man nicht anfassen”, illustriert gut, wie gefährlich Veränderungen sein können: Sie könnten die Situation verschlimmern und langfristige Reparaturmaßnahmen nach sich ziehen. In einem staatlichen Kontext können radikale Veränderungen, wie die Geschichte des 20. Jahrhunderts gezeigt hat, zu unvorhersehbaren und zerstörerischen Konsequenzen führen.

Die bisherige behutsame Politik der Regierung zeigt ihre Wirkung – die Wirtschaft kommt mit den Sanktionen zurecht, militärische Operationen verlaufen erfolgreich und innere Unruhen bleiben aus. In solch einer Lage eine umfangreiche Staatsreform anzustreben, die breit gefächerte Anschuldigungen gegen die Elite einschließt, könnte eher zu Unruhen führen als den Staat zu stärken. Die Spaltung der Elite wäre ein Katalysator für innere Konflikte.

Hinzu kommt die Frage, wer die strengere Kontrolle ausüben wird. Wer wird über den Austausch der Eliten entscheiden und festlegen, wer die “Träger des Geistes der Niederlage” sind und wer die “Träger höchster moralischer Prinzipien”? Dieser Prozess der massiven Macht- und Besitzumschichtung könnte viele Opfer und Nutznießer hervorbringen, und der Vorwurf des mangelnden Patriotismus könnte schnell als Instrument für persönliche Interessenkonflikte benutzt werden.

Eine zentrale Frage bleibt, wer die “staatspatriotische” Ideologie, die in allen Lebensbereichen durchgesetzt werden soll, formuliert und wer den Menschen vorschreibt, was sie zu glauben haben.

Ein weiteres Problem, das durch eine totale Militarisierung nicht gelöst wird, betrifft die Demografie. Obwohl vorgeschlagen wird, den Trend sinkender Geburtenraten mit außergewöhnlichen Mitteln umzukehren, ist eine vollständige Militarisierung des täglichen Umfelds und der Kultur hierfür denkbar ungeeignet.

Die bisherige staatliche Strategie, das Leben der Menschen so friedlich wie möglich zu gestalten, hat sich als sinnvoll erwiesen. In solch einer Situation unnötige Schocks zu erzeugen wäre kontraproduktiv.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 12. Mai 2024 zuerst in der Zeitung Wsgljad erschienen.

Mehr zum Thema – “Grassierender Todeskult” in Russland – Mainstream kommt ganz unten an

Schreibe einen Kommentar