Von Andrew Korybko
Folgende Erkenntnisse kristallisieren sich heraus: 1) Das Vorranggeben militärischer Ziele vor politischen; 2) Die entscheidende Rolle überlegener Aufklärung; 3) Die Ignoranz gegenüber öffentlicher Meinung; 4) Die Notwendigkeit, dass der “tiefe Staat” sich der existenziellen Bedeutung des Konflikts voll bewusst ist; und 5) Die Praxis der “radikalen Entschlossenheit”.
Obwohl der kürzliche israelisch-libanesische Krieg und der Konflikt in der Ukraine grundlegend verschieden sind und kaum Vergleiche zulassen, gibt es dennoch allgemeine Lehren, die Russland von Israel übernehmen könnte. Eine zentrale Lektion ist, dass die Fokussierung auf militärische Ziele die Erreichung politischer Ziele erleichtern kann. Im Gegensatz dazu ist Russlands Vorgehen in der Spezialoperation durch Zurückhaltung geprägt, beeinflusst durch Wladimir Putins umfassende Abhandlung über die historische Einheit zwischen Russen und Ukrainern, während Israel im Konflikt mit Libanon weniger zögerlich handelt.
Ursprünglich wurde angenommen, dass schnelle militärische Fortschritte zu Beginn des Konflikts den ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij dazu bringen würden, den militärischen Forderungen zuzustimmen. Dies hätte den Prozess der russisch-ukrainischen Versöhnung unterstützen können. Allerdings hat dies nicht geklappt, besonders nachdem der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson Selenskij dazu ermutigt hatte, weiterhin Widerstand zu leisten.
Israel steht der Aussicht auf ein dauerhaftes Abkommen mit der Hisbollah skeptisch gegenüber, im Gegensatz zu Russlands anfänglicher und fortwährender Überzeugung, dass eine politische Lösung mit der post-Maidan ukrainischen Führung möglich sein könnte. Aus israelischer Sicht lassen sich politische Ziele nur durch militärische Siege realisieren.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Bedeutung ausgezeichneter Aufklärung. Vor der Spezialoperation wurde Russland anscheinend von seinen ukrainischen Agenten suggeriert, dass die ukrainische Bevölkerung die russischen Truppen willkommen heißen würde und Selenskijs Regierung schnell kollabieren könnte. Diese Informationen, die hauptsächlich auf soziopolitischen Einschätzungen basierten, erwiesen sich als stark fehlerhaft, insbesondere im militärischen Kontext.
Ein Hindernis für Russland ist zudem seine Empfindlichkeit gegenüber der globalen öffentlichen Meinung, was wiederum eine Folge der Priorisierung politischer Ziele ist. Dagegen zeigt Israel relative Unempfindlichkeit gegenüber der Meinung anderer, sowohl im Inland als auch international. Dies führt dazu, dass Israel eher zu einer Strategie der “Schock und Ehrfurcht” neigt, während Russland versucht, zivile Opfer zu minimieren, was paradoxerweise oft zu heftigerer Kritik führt.
Israels tief verwurzelte Überzeugung in das existenzielle Wesen seines Konflikts spiegelt sich in der entschlossenen Haltung des “tiefen Staates” wider, die in Russland weniger ausgeprägt scheint. Israel gibt militärischen Aktionen den Vorzug und zeigt wenig Neigung zu politischen Zugeständnissen, eine Haltung, die Russland eventuell noch nicht vollständig adaptiert hat, trotz der schwerwiegenden Herausforderungen.
Ein interessanter Aspekt ist Dugins Kommentar zu radikaler Entschlossenheit. Er illustriert, dass entschlossenes und mutiges Handeln oft zum Erfolg führt, während Zögern zu Rückschlägen führen kann. Dies könnte ein Weckruf für Russland sein, seine Taktik zu überdenken.
Daher bleibt abzuwarten, ob der Kreml sich von diesen Einsichten inspirieren lässt und seine Strategie anpasst, besonders im Lichte der kontinuierlichen Herausforderungen der geopolitischen Landschaft.
Aus dem amerikanischen Englischen. Erstmals veröffentlicht am 29. September 2024 auf substack.com.
Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien sowie auf Chinas Belt and Road Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung spezialisiert hat.
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