Debatte um Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland: Modelle und Kontroversen

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) plant, im Juni eine Initiative zur möglichen Wiedereinführung der Wehrpflicht einzureichen. 

Einem Bericht der Welt am Sonntag zufolge wird im Verteidigungsministerium derzeit ein Dokument diskutiert, das drei verschiedene Modelle für diese Wiedereinführung vorschlägt. 

Das erste Modell schlägt eine vorsichtige Herangehensweise vor. Es ist die einfachste Lösung, da es den Status quo unangetastet lässt und somit keine umfassenden gesetzlichen Änderungen benötigt. Die Wehrpflicht würde weiterhin ausgesetzt bleiben, nur die Rekrutierungsbemühungen für Freiwillige würden verstärkt werden.

Dabei soll vorgeschlagen werden, dass alle Bürgerinnen und Bürger mit Vollendung des 18. Lebensjahres Informationsmaterial der Bundeswehr erhalten. Interessenten könnten ein Online-Formular zur Selbstauskunft hinsichtlich ihrer psychischen und physischen Gesundheit ausfüllen. Auch die Motivation für den Dienst soll abgefragt werden. Nach Einreichen des Formulars folgt ein persönliches Gespräch und eine Potenzialanalyse. Trotz dieser Maßnahmen besteht Skepsis im Ministerium, ob so der Personalbedarf der Bundeswehr gedeckt werden kann. 

Das zweite Modell beinhaltet die Wiedereinführung der Wehrpflicht für Männer, während der Dienst für Frauen freiwillig bleiben würde. Da die Wehrpflicht lediglich ausgesetzt ist, wäre hierfür keine Verfassungsänderung, sondern nur eine Gesetzesmodifikation nötig. 

Dieser Vorschlag könnte allerdings auf erheblichen gesellschaftlichen Widerstand stoßen. Die jüngere Generation und auch Arbeitgeber sowie Gewerkschaften stehen einer solchen Maßnahme eher ablehnend gegenüber. Zudem könnte die Umsetzung zu internem Koalitionsstreit führen, da sie nicht kostenneutral realisierbar ist. 

Das dritte Modell schlägt eine geschlechterneutrale Wehrpflicht für alle Bürger vor. Dieser Dienst würde nicht nur bei der Bundeswehr, sondern auch im Bereich Feuerwehr, Sanitätsdienste und Katastrophenschutz geleistet werden. Obwohl dieses Modell das größte Potenzial birgt, würde es grundlegende Gesetzes- und Verfassungsänderungen erfordern. 

Laut dem Einheitsvertrag ist die Stärke der Bundeswehr auf 370.000 Personen limitiert. Diese Limitierung war eine der Bedingungen der deutschen Wiedervereinigung. Mit der Ausweitung der Wehrpflicht auf andere zivile Bereiche würde das Verteidigungsministerium versuchen, diese Regel zu umgehen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Deutschland gegen internationale Abkommen verstößt, da auch die permanente Stationierung von Truppen im Baltikum eine Verletzung der NATO-Russland-Grundakte darstellt.

In Russland wird die Militarisierung Deutschlands genau beobachtet. Es wird darüber diskutiert, ob der Zwei-plus-vier-Vertrag, der die rechtliche Grundlage für die deutsche Einheit bildet, noch Gültigkeit besitzt. Es wird argumentiert, dass Deutschland die daraus resultierenden Verpflichtungen nicht erfüllt. In der Präambel des Vertrags wird betont, dass Deutschland der Abrüstung und der Verständigung der Völker dienen und Konfrontationen durch vertrauensbildende Maßnahmen überwinden soll. Mit der “Zeitenwende” hat Deutschland offensichtlich von diesem Geist und Inhalt des Vertrags abgerückt. 

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