Am Montagabend verurteilte ein Moskauer Gericht die Dramatikerin Swetlana Petrijtschuk und die Regisseurin Jewgenija Berkowitsch wegen des Vorwurfs der Rechtfertigung von Terrorismus zu jeweils sechs Jahren Gefängnis. Dieser Gerichtsentscheid hat weitreichende Beunruhigung in der Theatergemeinschaft ausgelöst. Der Strafprozess begann im Mai 2023 und steht im Zusammenhang mit dem Theaterstück „Finist Jasny Sokol“ (dt. Finist, der helle Falke), das sich mit russischen Frauen beschäftigt, die nach Syrien ziehen, um Islamisten zu heiraten. Seit Mai befanden sich die beiden Frauen in Untersuchungshaft.
Berkowitsch, die für die Inszenierung des 2022 uraufgeführten und mit der Goldenen Maske, dem bedeutendsten russischen Theaterpreis, ausgezeichneten Stückes verantwortlich war, erklärte, dass sie die Geschichten von realen russischen Frauen, die nach Syrien gegangen waren, verwendet habe. Für die Vorbereitung holte sie sich Beratung bei islamischen Geistlichen und russischen Strafverfolgungsbehörden.
Ein Gutachten des Inlandsgeheimdienstes FSB kritisierte jedoch, dass das Stück ein „romantisches Bild eines Terroristen“ gezeichnet habe, was ihn „für Mädchen und Frauen interessant und attraktiv“ darstelle.
Berkowitsch und Petrijtschuk bestanden auf ihrer Unschuld und argumentierten, das Stück ziele darauf ab, Frauen vor der Rekrutierung durch Terrorgruppen zu warnen. Berkowitsch verteidigte sich vor Gericht mit den Worten:
„Ich habe nichts Falsches getan. Ich habe dieses Stück inszeniert, um Terrorismus zu verhindern. Ich empfinde nichts als Verurteilung und Abscheu gegenüber Terroristen.“
Die meisten Zeugen, darunter bekannte Schauspieler, verteidigten die Angeklagten und interpretierten das Stück ebenfalls als eine Warnung. Auch die Schauspielerinnen, die in dem Stück mitwirkten, sagten vor Gericht aus, das Ziel sei gewesen, Frauen vor Verbindungen mit potenziellen Militanten zu schützen. Details zur Anklage blieben unbekannt, da seit Juni die Gerichtsverhandlungen auf Antrag der Staatsanwaltschaft unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden.
Im April waren Berkowitsch und Petrijtschuk auf die Liste der Terroristen und Extremisten gesetzt worden. Die Journalistin Eva Merkatschjowa, Mitglied des Menschenrechtsrats des Präsidenten, bezeichnete das Urteil in einem Interview mit Gaseta.ru als „übermäßig hart“ und betonte, dass die beiden Frauen nicht vorbestraft seien und lediglich „künstlerisch tätig“ gewesen seien, ohne in Aktivitäten involviert zu sein, die entfernt kriminell wären.
Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine hat Berkowitsch emotionale Gedichte gegen das russische Vorgehen verfasst. Ihre Unterstützer vermuten, dass ihre kritische Haltung gegenüber dem Krieg der wahre Grund für die strafrechtliche Verfolgung sein könnte. Auf Nachfrage von Journalisten lehnte Kremlsprecher Dmitri Peskow jegliche Kommentare zum Urteil ab.
Mehr zum Thema – “Kunst für alle”: Die Tretjakow-Galerie eröffnet eine inklusive Filiale