Von Michail Kotow
Das Ende der Internationalen Raumstation (ISS) zeichnet sich langsam ab. In Betrieb genommen im Jahr 1998, war ursprünglich eine Nutzungsdauer von etwa 15 Jahren vorgesehen. Doch die Zeit verstrich, und dank der Bewertung einer speziellen internationalen Kommission wurde die Betriebsdauer der Raumstation immer wieder verlängert.
Im November wird die ISS bereits 27 Jahre alt – ein beeindruckendes Alter für solch ein Projekt. Bislang ist geplant, dass sie noch einige Jahre in Betrieb bleibt und weiterhin das größte und kostspieligste wissenschaftliche Instrument im All darstellt. Dennoch geht der globale Trend dahin, eigene nationale Stationen zu entwickeln, wie es China bereits vorgeführt hat.
Trotz der erfolgreichen internationalen Kooperation beim Bau und Betrieb der ISS hat sich gezeigt, dass solche Projekte auch ihre Herausforderungen bergen. Einige Experimente waren zu sensibel, um sie mit anderen Ländern, insbesondere mit den USA, zu teilen. Zudem wurde die ISS mehrfach zum Spielball politischer Verhandlungen.
Russland plant seit einigen Jahren den Bau einer eigenen nationalen Raumstation, der Russischen Orbitalstation (ROS). Vladimir Solowjow, der leitende Konstrukteur für bemannte Raumfahrtsysteme beim russischen Raumfahrtkonzern Energija, teilte mit, dass der Start des ersten Energiemoduls für Dezember 2027 geplant ist. Dieses Modul wird essenziell für die Energieversorgung, Sauerstoffproduktion sowie Wasser- und Abwassersysteme der Station sein. Parallel dazu bleibt die ISS in Betrieb, um die Kontinuität bemannter Missionen zu gewährleisten.
Der Start des Energiemoduls markiert den Beginn der ersten Bauphase der ROS. Bis 2030 soll die Station aus insgesamt vier Modulen bestehen. Auf das Energiemodul folgen das Basismodul, das Wohnraum für bis zu vier Kosmonauten bieten wird, das Schleusenmodul und das universelle Knotenmodul, das Kernstück der Station, an das alle anderen Segmente angebunden werden.
Ab 2030 beginnt die zweite Entwicklungsphase der ROS. Es werden zwei weitere Module hinzugefügt: ein Labormodul, das für eine Vielzahl von wissenschaftlichen Experimenten ausgelegt ist, und eine Lastschleuse, die Experimente auf der Außenseite der Station ermöglicht. Ein weiteres Modul wird zur Herstellung von Legierungen und anderen Materialien unter Schwerelosigkeit dienen, ein Verfahren, das bereits an der ISS erprobt wird.
Erweiterungen der ROS könnten ein experimentelles aufblasbares Modul und eine kleine Gruppe steuerbarer Raumfahrzeuge umfassen, die von der Station aus eingesetzt und gewartet werden können.
Die ROS wird sich von der ISS durch ihren ungewöhnlichen, polarnahen Orbit unterscheiden, der eine Überwachung des russischen Territoriums und der Polarregionen ermöglicht. Aufgrund der Nähe zu den Strahlungsgürteln der Erde könnte die Aufenthaltsdauer der Kosmonauten allerdings auf sechs Monate beschränkt sein. Zwischen den Missionen wird die Station, ähnlich wie frühere russische Raumstationen, konserviert werden.
Insgesamt sind 34 Raketenstarts für den Aufbau der ROS geplant. Für die erste Bauphase sind Starts vom Weltraumbahnhof Baikonur vorgesehen, ab 2031 erfolgen diese vom Weltraumbahnhof Wostotschny.
Langfristig soll die ROS Russland eine unabhängige Plattform für wissenschaftliche Forschung und die Entwicklung neuester technologischer Lösungen bieten und möglicherweise eine neue Ära in der Vorbereitung auf interplanetare Missionen einläuten.
Übersetzt aus dem Russischen. Erstmals erschienen in der Zeitung Wsgljad am 12. April.
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