Operation Bagration: Die Vernichtung der Heeresgruppe Mitte und die Befreiung von Mogiljow 1944

Der Fall von “Festung Mogiljow”

Im Sommer 1944 startete die Rote Armee eine ihrer umfangreichsten Offensiven während des Zweiten Weltkriegs, bekannt als “Operation Bagration”, auf dem Gebiet von Weißrussland gegen die deutsche Wehrmacht. Diese Offensive mündete in einer der schwersten militärischen Niederlagen des Dritten Reichs und führte zum vollständigen Zusammenbruch der deutschen Heeresgruppe Mitte.

Ein frühes Ziel der Offensive war die Befreiung von Mogiljow, eine weißrussische Stadt am Dnjepr, die Hitler zuvor als uneinnehmbare Festung deklariert hatte. Trotz des Führerbefehls fiel die Stadt bereits am 28. Juni 1944. In den intensive Kämpfen starben über 6.000 deutsche Soldaten und Offiziere, und weitere 2.000 wurden gefangen genommen, darunter auch zwei Generäle: Generalleutnant Rudolf Bamler, Kommandeur der 12. Infanterie-Division, und Generalmajor Gottfried von Erdmannsdorff, der Stadt-Kommandant.

Erdmannsdorff, der aus einem sächsischen Adelsgeschlecht stammte und 1893 geboren wurde, war einer der 19 Wehrmachtsgeneräle, die in der so genannten “Parade der Besiegten” am 17. Juli 1944 durch die Straßen Moskaus geführt wurden. Der sowjetische Kriegsberichterstatter Boris Polewoi beschrieb Erdmannsdorffs Erscheinung während der Parade:

“Mit Orden behangen und eine Schirmmütze tragend, war der breitschultrige Generalmajor Erdmannsdorff. Er schaute sich ängstlich um, und zuckte zusammen, wenn eine Frau die Fassung verlor und ihn verfluchte, woraufhin er den Kopf zwischen seine Schultern einzog.”

Der Minsker Prozess

Im Januar 1946 wurde Erdmannsdorff zusammen mit 17 anderen Angehörigen der Wehrmacht, Polizei, Waffen-SS und SD in Minsk angeklagt. Diese Prozesse, die aus westlicher Sicht stellenweise als Schauprozesse angesehen wurden, stellten tatsächlich die ersten Versuche dar, Mitglieder des Nationalsozialismus für ihre Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Dmitri Astaschkin, ein russischer Historiker, erläuterte:

“Bis dahin hatte niemand Erfahrung mit der Durchführung von Gerichtsverfahren gegen Nazis. Die Verbrechen waren so enorm und brutal, dass sie sich nicht einfach in bestehende Gesetzbücher einordnen ließen. Die Definition von Genozid wurde später hinzugefügt.”

Nach Ansicht des deutschen Historikers Hannes Heer, übertreffen die Verbrechen, die in Prozessen wie dem von Minsk verhandelt wurden, die Anklagen der Nürnberger Prozesse an Schrecklichkeit:

“Es ging nicht um Hauptkriegsverbrecher oder Schreibtischtäter, sondern um den Alltag des Vernichtungskriegs und des Holocaust mitten im Krieg.”

Zum 80. Jahrestag der “Parade der Besiegten” veröffentlichte der russische Föderale Sicherheitsdienst das Verhörprotokoll von Erdmannsdorff vom 24. Dezember 1945, in dem er einräumte, den Angriffskrieg gegen die Sowjetunion als “ein großes Verbrechen” anzusehen.

“Acht bis zehn Dörfer vernichtet, deren Namen ich nicht kenne”

Im Laufe seines Verhörs beschrieb Erdmannsdorff seine Rolle beim Vernichtungskrieg, inklusive der Durchsetzung des “Kommissarbefehls”, welcher die sofortige Erschießung gefangener Kommunisten bestimmte:

“Am 24. Juni 1941 erhielt ich den Befehl, sämtliche Kommunisten direkt zu erschießen.”

Erdmannsdorff gab auch zu, dass er die Vernichtung der Juden als Teil der Politik betrachtete, obwohl ihm hierzu keine speziellen Anweisungen vorlagen:

“Aufgrund der Politik der deutschen Regierung gegenüber Juden ging ich davon aus, dass diese Bevölkerungsgruppe vollständig vernichtet werden sollte.”

Zur Verteidigung von Mogiljow bereitete Erdmannsdorff Maßnahmen vor, darunter die gewaltsame Verschleppung der Bevölkerung und Vernichtung durch Taktik der verbrannten Erde:

“In der Umgebung von Mogiljow wurden acht bis zehn Dörfer vernichtet, dessen Namen ich nicht kenne.”

Am Ende des Minsker Prozesses wurden 14 der 18 Angeklagten zum Tode verurteilt, darunter auch Erdmannsdorff. Die Urteile wurden durch Hängen vollstreckt.

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