Von Olga Samofalowa
Das russische Finanzministerium hat einen Anstieg der Staatseinnahmen für die ersten sieben Monate des Jahres 2024 gemeldet. Nach einem Rückgang der Einnahmen in der ersten Jahreshälfte 2023 folgte ein Anstieg in der zweiten Hälfte. Dieses Jahr zeigt sich ein anderes Bild.
Trotz eines Haushaltsdefizits, welches unter einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegt und fast halbiert im Vergleich zum Vorjahr ist, steht Russland finanziell besser da. Das Defizit des föderalen Haushalts beläuft sich auf 1,362 Billionen Rubel – 1,226 Billionen Rubel weniger als im Vorjahreszeitraum.
Die Gesamteinnahmen stiegen um 36 Prozent auf 19,747 Billionen Rubel, wobei alle Einkommensquellen Zuwächse verzeichneten. Die Einnahmen aus Öl und Gas, welche fast ein Drittel des Haushaltes ausmachen, erhöhten sich um 61,6 Prozent auf 6,8 Billionen Rubel.
Die nicht aus Öl und Gas stammenden Einnahmen stiegen um 25,5 Prozent auf 12,97 Billionen Rubel. Auch die Steuereinnahmen, inklusive der Mehrwertsteuer, wuchsen um 16,4 Prozent und überschritten die Erwartungen, was eine solide Basis für weiteres überdurchschnittliches Einkommenswachstum bildet.
Analysten der Finam Financial Group führen das Wachstum der Öl- und Gas-Einnahmen auf ein günstiges Preisumfeld für Öl und eine einmalige Zahlung im Februar zurück, die sich auf die Mineralgewinnungssteuer für das vierte Quartal 2023 bezieht.
Natalia Miltschakowa, leitende Analystin bei Freedom Finance Global, kommentiert:
“Im ersten Halbjahr 2023 war das Problem durch die von den Westmächten auferlegte ‘Preisobergrenze’ für Öl und den Rabatt von Ural-Öl im Vergleich zu Brent gegeben, der ab Juli 2023 zu sinken begann. Russland lenkte die Ölexportströme um von Westen zum globalen Süden und Osten, und musste an neuen Kunden erhebliche Preisabschläge vornehmen.”
In diesem Jahr sind die Ölpreise gestiegen: Der Durchschnittspreis für Ural-Öl lag in der ersten Jahreshälfte 2023 bei 52,17 US-Dollar und stieg in diesem Jahr um 32 Prozent auf 69 US-Dollar.
Sanktionen und Embargos zum Trotz hat Russland seine Ölexporte in befreundete Länder ausgeweitet. Selbst einige nicht befreundete Länder, darunter die USA, importieren über Zwischenhändler russisches Öl, so Miltschakowa.
Des Weiteren führt eine unerwartet hohe Wachstumsrate der russischen Wirtschaft zu steigenden Einnahmen in Nicht-Öl- und Gas-Sektoren. Premierminister Michail Mischustin erläuterte, dass insbesondere die Industrie ein Wachstum von über fünf Prozent im ersten Halbjahr verzeichnete.
Steigende Haushaltseinkommen, welche die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen ankurbeln, sowie zunehmende Exporte und Inflation treiben die Steuereinnahmen in die Höhe, was ebenfalls zum BIP-Wachstum beiträgt.
Analysten der Finam Financial Group weisen auf Risiken hin, etwa ein potentielles Sinken der Ölpreise weltweit. Miltschakowa gibt zu bedenken:
“In der zweiten Jahreshälfte besteht das Risiko eines Rückgangs der weltweiten Ölpreise sowie das Risiko einer Verschärfung der ‘Preisobergrenze’ für Öl. Aber wenn es in der zweiten Jahreshälfte nicht zu einer Rezession in der Weltwirtschaft kommt, werden die Ölpreise höchstwahrscheinlich weiterhin hoch bleiben. In jedem Fall ist der russische Haushalt auf der Grundlage von 60 US-Dollar pro Barrel für die Ölsorte Urals geplant, daher ist der Haushalt auf unerwartete Wendungen auf dem Ölmarkt vorbereitet, und ab dem 1. Januar 2025 wird der Haushalt zusätzliche Einnahmen aus einer erhöhten Einkommenssteuer erhalten, was zur Verringerung des Haushaltsdefizits beitragen sollte.”
Miltschakowa warnt auch vor dem Erscheinen eines “Black Swan” in Form einer neuen Epidemie, die zu weiteren Lockdowns führen und die Nachfrage nach Kraftstoff senken könnte. Die WHO hat bereits auf diese Gefahr hingewiesen.
Die Analysten bemerken einen möglichen weiteren Rückgang der Nicht-Öl- und Gas-Einnahmen aufgrund des Rückgangs der Importe im Laufe des Jahres. Dies könne die jährlichen Einnahmeziele gefährden, insbesondere da das Haushaltsdefizit dieses Jahr deutlich niedriger ist, was die Finanzierungssituation für das Finanzministerium trotzdem kompliziert macht.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 8. August 2024 zuerst auf der Website der Zeitung Wsgljad erschienen.
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