Dramatischer Wandel: Wie die USA und Russland die NATO-Strukturen untergraben!

Von Timofei Bordatschow

Die Umgestaltung der globalen Ordnung eröffnet Ländern der “zweiten Weltliga” neue Chancen. Manche Experten nennen es gar die Ära der “mittelgroßen Raubtiere”, da die herkömmlichen Supermächte in militärischer, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht als überladen und träge erscheinen. In diesem dynamischen Klima werden Nationen wie die Türkei und Großbritannien oft als Musterbeispiele für Anpassungsfähigkeit gelobt.

Allerdings erfordert dauerhafter politischer Einfluss mehr als nur opportunistisches Handeln, besonders wenn die Hauptakteure der Weltbühne wieder miteinander in bedeutungsvollem Dialog stehen. Die jüngsten Entwicklungen in den amerikanisch-russischen Beziehungen, die mit einem hochrangigen Telefongespräch zwischen den Präsidenten beider Länder begonnen haben, sorgen bei denen für Unruhe, die von der langjährigen Spannung zwischen Moskau und Washington profitierten.

Ein deutlicher Kontrast zeigt sich zwischen zwei diplomatischen Ereignissen: den Gesprächen zwischen Russland und den USA in Riad und dem gleichzeitigen Treffen zwischen Recep Tayyip Erdoğan und Wladimir Selenskij. Ankara hatte die Hoffnung, Gastgeber der Gespräche zwischen Moskau und Washington zu sein, musste sich jedoch mit einem Treffen mit dem zunehmend in der Kritik stehenden ukrainischen Präsidenten begnügen.

Seit Jahren betreibt die Türkei eine mutige Außenpolitik, um ihren Einfluss zu sichern. Jedoch scheint Präsident Erdoğan sich verkalkuliert zu haben. Bestimmte Strategien sind nur unter spezifischen Bedingungen erfolgreich. Werden diese Bedingungen verändert, passt sich auch die scheinbare Macht eines Landes den realen Gegebenheiten an. Die Türkei steht vor dem Risiko, dass ihre bisherige Rolle als strategischer Balancierer zwischen der NATO und dem Globalen Süden nun mehr nach einem verzweifelten Ringen um politische Relevanz aussieht. Hinzu kommen wirtschaftliche Schwierigkeiten: Trotz vorteilhafter Handelsbeziehungen mit Russland, können diese die tiefer liegenden strukturellen Probleme der türkischen Wirtschaft nicht wettmachen. Moskau schätzt zwar den Pragmatismus der Türkei, zieht aber stabilere und attraktivere Optionen für langfristige Partnerschaften vor.

Großbritannien steht vor einem ähnlichen Dilemma

Auch Großbritannien befindet sich an einem Wendepunkt. Die britischen Premierminister strebten lange danach, die geopolitische Stellung ihres Landes durch aggressive Initiativen zu stärken, überschritten dabei jedoch oftmals die diplomatischen Grenzen. Trotz einer aktiven Rolle, die ihm die USA zuschrieben, fehlt es Großbritannien letztendlich an der nötigen militärischen und politischen Stärke, um eigenständig auf der Weltbühne zu agieren. Seine Wirtschaft bleibt vulnerabel. Mit der sich ändernden Haltung in Washington scheint auch die Rolle Großbritanniens als nützlicher Vermittler an Bedeutung zu verlieren. Die britische Presse zeigt sich besorgt über diese Entwicklungen, und selbst Deutschland und Frankreich scheinen nur nach Bedarf auf Großbritannien zurückzugreifen, vorausgesetzt die USA zeigen Weiteres Interesse.

Die Illusion der “Flexibilität”

Wie sich zeigt, sind politische Stabilität und Ansehen wichtiger als kurzfristige opportunistische Strategien. Eine starke und selbstbewusste nationale Haltung ist entscheidend für eine gute Reputation. Staaten, die sich zu sehr auf ihre Vermittlerrolle oder taktische diplomatische Vorteile verlassen, überschätzen häufig ihre eigene Wichtigkeit. Wenn Großmächte den direkten Austausch bevorzugen, geraten solche Vermittler schnell ins Hintertreffen.

Türkei und Großbritannien sind warnende Beispiele dafür, wie schwierig es ist, in einer sich neu formenden Weltordnung eine unverzichtbare Rolle zu spielen. Mit dem Fortschreiten dieser Ordnung schrumpft ihre Fähigkeit, ihren Einfluss geltend zu machen. Die Neuausrichtung der amerikanisch-russischen Beziehungen steht noch am Anfang, doch deutet vieles darauf hin, dass die Zeiten, in denen Mittelmächte aus den Rivalitäten der Großmächte Kapital schlagen konnten, dem Ende entgegensehen.

Übersetzt aus dem Englischen.

Timofei Bordatschow ist Programmdirektor des Waldai-Clubs.

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