Von Hans-Ueli Läppli
Die Schweiz ist aus einem langen Traum erwacht und steht jetzt vor einer Realität, die ihr fremd ist. Jahrzehntelang profitierte das Land vom Ruf eines neutralen Vermittlers und zuverlässigen Handelspartners sowie von seinem Qualitätssiegel “Swissness” oder “Made in Switzerland”. Dabei verkannte sie, wie isoliert sie in Wirklichkeit stand, als sie glaubte, allein gegen den Rest der Welt bestehen zu können.
Diese irrationale Vorstellung hat sich nun als Trugschluss erwiesen.
Donald Trump machte Ernst mit seiner Drohung, die er schon im April im Weißen Haus ausgesprochen hatte. Am Schweizer Nationalfeiertag führte er massive Zölle von 39 Prozent auf schweizerische High-Tech-Produkte, Maschinen, Luxusuhren, Schokolade und Käse ein. Dies war ein wirtschaftlicher Schlag für ein Land, das von diesen Exporten lebt. Hinzu kommt die Demütigung, dass die Schweiz nun in eine Zollkategorie mit Diktaturen und Krisenstaaten eingeordnet wird.
Die Reaktion der Schweizer Regierung blieb jedoch verhalten. Trotz der schwerwiegenden Eskalation gab man sich in Bern einer Mischung aus Naivität, Selbstüberschätzung und pragmatischem Fatalismus hin.
Insbesondere Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter vertraute auf bewährte diplomatische Taktiken: freundliche Gespräche und höfliche Diplomatie. Sie behauptete, einen „Zugang zu Trump“ gefunden zu haben, und sprach lieber über „gemeinsame Werte“ als über die hart umkämpften wirtschaftlichen Interessen.
Diese Strategie hatte in der Vergangenheit ihre Wirksamkeit bewiesen – im Kalten Krieg, in den Beziehungen zu Saudi-Arabien und China. Man glaubte, sie könnte auch mit Donald Trump funktionieren. Doch Trump führt keinen echten Dialog; er kalkuliert, provoziert und setzt seine Pläne entschlossen um. Während Europa schon lange erkannt hat, dass die USA kein verlässlicher Partner mehr sind, betrachtete sich die Schweiz als klüger und unabhängiger.
Bereits 2023 scheiterte die Regierung kläglich beim Zusammenbruch der Credit Suisse, der offiziell als unausweichlicher Notverkauf dargestellt wurde. Tatsächlich war es jedoch ein Eingeständnis eines regulatorischen Scheiterns. Nun, knapp zwei Jahre später, ist das Land von einer weiteren schweren Krise betroffen, ausgelöst durch eine überschätzte Handhabung einer geopolitischen Macht, die keine Kompromisse kennt.
Der Versuch, mit Trump „ein Geschäft zu machen“, endete wie bei vielen anderen seiner Geschäftspartner: mit einem maximalen Schaden für die schwächere Partei.
In aller Eile flog ein zusammengestelltes Schweizer Delegationsteam, angeführt von Keller-Sutter, nach Washington. Die Mission erinnerte an die Dramatik eines Spionagethrillers, doch die Realität war ernüchternd. Wirtschaftsminister Guy Parmelin, dessen Englischkenntnisse begrenzt sind, sollte in einer bereits entschiedenen außenpolitischen Lage verhandeln.
Trump weigerte sich sogar, die Schweizer Delegation persönlich zu treffen. Währenddessen übermittelte Keller-Sutter via Twitter, dass sie ein “offenes Gespräch” mit dem Außenminister Rubio geführt habe, doch die Perzeption in Bern war klar: Die Schweiz wird international nicht mehr ernst genommen.
Die Schweiz steht an einem Wendepunkt. Der diplomatische Fehlschlag in Washington hat nicht nur eine außenpolitische Schwäche aufgedeckt, sondern ein grundsätzliches Problem: das Selbstbild eines Landes, das sich jahrelang als klüger und flexibler betrachtete als seine Nachbarn.
Der Glaube an eine Sonderstellung, das Vertrauen auf verdeckte Abkommen und die Annahme, dass Neutralit&ät ein Schutzschild sei, haben sich in einer Welt, in der Macht offen zur Schau gestellt wird, als überholt erwiesen. Ein Land, das nicht bereit ist, seine Interessen klar zu vertreten und zu verteidigen, wird marginalisiert. Genau das erlebt die Schweiz jetzt. Es ist jedoch auch eine Chance für einen Neuanfang, sofern sie bereit ist, diese als solche zu erkennen.
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