Von Hans-Ueli Läppli
Ein neues bilaterales Abkommen zwischen der Schweiz und der EU, das Bundespräsidentin Viola Amherd und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kürzlich in Bern feierlich verkündeten, wirft bereits Schatten voraus. Trotz des positiven Rahmens des Abkommens gibt es ernste Bedenken wegen bestimmter Regelungen, insbesondere hinsichtlich des Familiennachzugs, der nun auf Personen mit einer festen Anstellung in der Schweiz beschränkt wird.
Personen, die in der Schweiz ein Aufenthaltsrecht haben und danach ihre Arbeit verlieren, müssen sich unverzüglich um eine neue Stelle bemühen und mit dem RAV kooperieren, sonst droht ihnen der Entzug des Aufenthaltsrechts. Justizminister Beat Jans erklärt, dass diese Maßnahme dazu dienen soll, das Sozialsystem nicht zu belasten und wird im Rahmen der Unionsbürgerrichtlinie umgesetzt.
Gewerkschaften zeigen sich besorgt
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) äußerte seine Kritik schon während der Pressekonferenz. Er befürchtet, dass durch das Abkommen der Lohnschutz gefährdet und der Druck auf Arbeitnehmer erhöht wird. Insbesondere den einschränkenden Familiennachzug sieht er als sozial destabilisierend an.
Verteidigung des Abkommens durch den Bundesrat
Außenminister Ignazio Cassis betont, dass das Abkommen eine maßgeschneiderte Lösung für die Schweiz darstelle, die bei wirtschaftlichen oder sozialen Risiken eigenständige Anpassungen der Zuwanderungsregeln erlaubt. Bildungsminister Guy Parmelin hebt hervor, dass die Einigung neue Möglichkeiten im Bildungs- und Forschungsbereich, wie etwa die Teilnahme an EU-Programmen wie Horizon, schafft.
Politische Meinungen sind geteilt
Der ehemalige Nationalrat Roger Köppel kritisierte das Abkommen stark und verglich es mit dem gescheiterten Rahmenabkommen. Cassis erwiderte, dass der Ansatz des neuen Abkommens vollkommen anders sei und betonte die Geheimhaltung der Bundesratssitzungen.
Die endg&uum;ltige Annahme des Vertrages durch das Schweizer Parlament ist bis Ende 2024 geplant, danach soll das Schweizer Volk in mehreren Referenden abstimmen.
Nach Aussage von von der Leyen brachte das Abkommen faire Lösungen in den kritischen Bereichen Zuwanderung und Lohnschutz. Sie betonte den harten Einsatz der Verhandlungsführer und die bedeutende Anzahl von Treffen, die zur Fertigstellung des Abkommens führten.
Dennoch stehen zahlreiche kritische Punkte im Raum, insbesondere was das Schienennetz, den Strommarkt und die Lebensmittelsicherheit betrifft. Trotz einer offensichtlich positiven Darstellung in den Medien, bleiben Skepsis und Kritik.
Es bleibt abzuwarten, wie die Schweizer Öffentlichkeit auf das Abkommen reagieren wird, insbesondere angesichts der tiefen politischen Gräben und des wachsenden Widerstands gegen die neuen Zuwanderungsregeln.
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