Von Hans-Ueli Läppli
Bundesrat Beat Jans hat kürzlich Äußerungen zur geplanten Schutzklausel bezüglich der Zuwanderung aus der EU gemacht, die für Verwirrung sorgten. Er behauptete, dass die Schweiz mittels dieser Klausel die Einwanderung regulieren könne, obwohl dies den bisher veröffentlichten Details des neuen bilateralen Abkommens mit der EU widerspricht.
Die Schweizer Zuwanderungspolitik befindet sich traditionell im Spannungsfeld mit der Europäischen Union. Während die Schweizer Regierung aufgrund steigender Mieten und angespannter Wohnsituation eine Limitierung der Zuwanderung in Betracht zieht, betrachtet die EU-Kommission die Personenfreizügigkeit als zentralen Bestandteil der europäischen Integration.
Verwunderlich ist daher die Stellungnahme von Bundesrat Jans zur Nachhaltigkeitsinitiative der SVP, welche einer Begrenzung der Schweizer Bevölkerung auf zehn Millionen Menschen das Wort redet. Jans argumentiert, ein direkter Gegenvorschlag sei unnötig, da die Schutzklausel mit der EU ähnliche Regulierungen zulasse. Doch die genauen Mechanismen dieser Klausel sind noch unbekannt.
Die Reaktion aus Brüssel war zurückhaltend bis skeptisch. Experten betonen, dass die Schutzklausel nur unter strikten Bedingungen wirksam würde. Zwei spezifische Anforderungen müssten dafür erfüllt sein: erstens, dass sich die Schweiz in einer wirtschaftlichen Notlage befindet und zweitens, dass diese direkt auf EU-Zuwanderung zurückzuführen ist.
Zudem müsste ein Schiedsgericht in der EU die Notwendigkeit der Maßnahme bestätigen.
Angesichts der stabilen Wirtschaftslage der Schweiz erscheint es kaum vorstellbar, dass diese Klausel jemals angewandt wird. Dass dann letztendlich ein EU-Gericht entscheiden muss, könnte man fast als schlechten Scherz auffassen.
Die Schutzklausel unterliegt strengen Verhältnismäßigkeitskriterien; eine feste jährliche Obergrenze für Zuwanderung scheint kaum umsetzbar. Möglicherweise könnten regionale oder befristete Einschränkungen stattfinden, deren Wirksamkeit jedoch zweifelhaft bleibt. Eine regionale Begrenzung könnte Unternehmen in bestimmten Regionen benachteiligen, eine zeitlich begrenzte Maßnahme würde langfristige Probleme am Wohnungsmarkt nicht bewältigen.
Ein weit verbreitetes Missverständnis betrifft die Zuständigkeit für solche Maßnahmen. Der Bundesrat erweckt den Anschein, als ob er über Gegenmaßnahmen entscheiden könne. Tatsächlich liegt jedoch die letzte Entscheidungsbefugnis bei einem EU-Schiedsgericht. Es ist unklar, ob die Schweiz sich in einer Krisensituation über dieses Gericht hinwegsetzen würde – vertraglich ist sie jedoch zur Akzeptanz der Urteile verpflichtet.
Wie die Europäische Union die Freizügigkeit der Schweiz weiterhin handhaben wird, bleibt abzuwarten. EU-Kommissar Maroš Šefčovič und andere EU-Vertreter haben betont, dass eine einseitige Beschränkung durch die Schweiz inakzeptabel wäre, doch die politische Gesamtlage, die wirtschaftlichen Druckpunkte von den USA und China beinhaltet, könnte Einfluss nehmen.
Die jüngste Vereinbarung mit der Schweiz gilt in Brüssel als diplomatischer Erfolg. Ob dies zu einer flexible Haltung in der Personenfreizügigkeit führt, ist jedoch ungewiss. Die EU-Kommission steht unter enormem Druck, die grundlegenden Freiheiten der Union zu verteidigen, und ein Rückzug bei der Freizügigkeit könnte als Zeichen von Schwäche gesehen werden.
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