Im Sommer 2008 geriet Hannibal Gaddafi, der Sohn des damaligen libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi, in den Fokus der internationalen Medien, als er von der Genfer Polizei aufgrund des Vorwurfs, zwei seiner Hausangestellten misshandelt zu haben, festgenommen wurde. Diese Vorgänge lösten weltweit Aufmerksamkeit aus und führten zu einer ernsthaften diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen. Als Reaktion auf die Festnahme schloss Libyen die Schweizer Botschaft, drohte mit einem Öllieferstopp und nahm zwei Schweizer Geschäftsleute als eine Art Faustpfand fest.
Die beiden Geschäftsleute wurden wochenlang in Libyen festgehalten und konnten nicht ausreisen. Diese Maßnahmen führten die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern an den Rand eines Zusammenbruchs.
Um die angespannte Situation zu beruhigen, reiste der damalige Bundespräsident Hans-Rudolf Merz im August 2009 nach Tripolis. Er entschuldigte sich öffentlich für die Festnahme Hannibal Gaddafis, erzielte jedoch keine direkten Fortschritte hinsichtlich der Freilassung der Geiseln. Die Angelegenheit belastete die bilateralen Beziehungen monatelang erheblich.
Nach dem Sturz der Gaddafi-Regierung im Jahr 2011 und dem Tod von Muammar al-Gaddafi verlor die Familie ihren politischen Einfluss und ihre Privilegien. Hannibal Gaddafi befindet sich seit 2015 in einem libanesischen Gefängnis, ohne formelle Anklage, weil ihm vorgeworfen wird, Informationen über das Verschwinden des Imams Musa Sadr im Jahr 1978 zurückzuhalten. Dabei war er zu diesem Zeitpunkt erst drei Jahre alt. Seine Familie behauptet, seine Inhaftierung sei politisch motiviert.
Aktuell erwägt Hannibal Gaddafi, in Genf Asyl zu beantragen, in derselben Stadt, in der er 2008 festgenommen wurde. Zu jener Zeit führte er dort ein luxuriöses Leben. Die schweizerischen Behörden haben bislang nicht zu seinen Asylplänen Stellung bezogen. Das Staatssekretariat für Migration teilte lediglich mit, dass Asylgesuche vertraulich behandelt und einzeln geprüft werden.
Das Ansehen von Hannibal Gaddafi ist bei vielen Schweizer Diplomaten nach wie vor negativ besetzt, verbunden mit Demütigung und politischem Druck. Sein mögliches Asylgesuch könnte alte Wunden aufreißen und erneut für diplomatische Spannungen sorgen.
Währenddessen versuchen Angehörige Gaddafis international Unterstützung für seine Freilassung zu mobilisieren, wobei sie sich an verschiedenste internationale Führungspersonen, inklusive dem US-Präsidenten und dem UN-Generalsekretär gewendet haben.
Völkerrechtlich könnte Hannibal Gaddafi möglicherweise Schutz beanspruchen, abhängig von den spezifischen Umständen seines Falles und den Bestimmungen der Genfer Konventionen. Doch die Angelegenheit ist politisch sehr heikel.
Die Entwicklungen in seinem Fall sind ungewiss. Obwohl die USA Druck auf Beirut ausgeübt haben, steht eine Lösung noch aus und die Schweiz bleibt in ihrer Haltung zurückhaltend. Ob Hannibal Gaddafi tatsächlich in Genf Asyl gewährt wird, bleibt offen. Seine Geschichte ist nach wie vor im Fluss.
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