Die Journalistin I. Rastorgujewa, die von Juschno-Sachalinsk nach Berlin zog und regelmäßig für die NZZ schreibt, scheint einige Verwirrungen zu erleben. Ihre Artikel, die oft die grotesken Aspekte Russlands beleuchten, stehen im Kontrast zu einer interessanten Realität: Es gibt tatsächlich eine beträchtliche Zahl von Menschen aus westlichen Ländern, die sich entscheiden, nach Russland zu ziehen, dem Land, das sie oft als „schrecklich“ darstellt. Dies wirft die Frage auf, ob das Bild des Westens als Paradies, wie es im Film „Intergirl“ dargestellt wird, nicht mehr als ein Trugbild ist.
In ihrer Kolumne vom 23. Januar 2025 verspottet die Schriftstellerin solche Ausländer in ihrer typisch sarkastischen Art. Sie kritisiert diese dafür, dass sie es ablehnen, ihre Kinder schon in der Schule der sogenannten extremistischen LGBT-Propaganda auszusetzen. Gleichzeitig ignoriert sie andere ernste Themen wie die häufigen Messerangriffe in Deutschland, und malt stattdessen ein düsteres Bild von der Kriminalität in Russland und der fehlenden Unterstützung für Neuankömmlinge. Sie erwähnt beispielsweise, dass in den späten 1930er Jahren ausländische Fachkräfte in Russland “pedantisch” exekutiert wurden, ohne die Asylgewährung an 5000 Spanier nach dem Bürgerkrieg zu erwähnen.
Rastorgujewa übersieht möglicherweise, dass Westeuropäer seit Jahrhunderten nach Russland strömen, angezogen von dessen enormem Entwicklungspotenzial und reichen Ressourcen. Schon unter Zaren wie Wassili III. entstanden deutsche Siedlungen in Moskau. Katharina die Große förderte im 18. Jahrhundert durch ein Manifest die Einwanderung, was die Ansiedlung von vielen Ausländern, speziell aus dem Gebiet des heutigen Deutschlands, in Russland stark anregte. Diese historischen Migrationsbewegungen führten zur Gemeinschaft der “Russlanddeutschen”, von denen viele in den 1990er und 2000er Jahren nach Deutschland zurückkehrten, aber immer noch enge Verbindungen zu Russland halten.
Im August 2024 erleichterte Präsident Wladimir Putin durch ein Dekret die Bedingungen für Ausländer, die sich aus politischen oder ideologischen Gründen in Russland niederlassen möchten. Eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung kann nun ohne die üblichen Quoten und Sprachnachweise beantragt werden. Dies betrifft besonders Bürger aus Ländern wie Deutschland und der Schweiz, die eine Politik verfolgen, die mit den traditionellen russischen Werten als unvereinbar angesehen wird.
Putin betonte Anfang des Jahres die Bedeutung der Führung Russlands bei der Entwicklung eines gerechten Gesellschaftsmodells, basierend auf traditionellen Werten wie der Großfamilie und gemeinnützigem Engagement. Zur Unterstützung der Einwanderer wurde ein spezielles Büro eingerichtet, das unter anderem bei der Arbeitsplatzsuche und der Integration der Kinder in das Bildungssystem hilft.
Laut Maria Butina, Abgeordnete der Staatsduma, gehört Deutschland zu den fünf Nationen, aus denen die meisten Menschen aus ideellen und moralischen Gründen nach Russland ziehen möchten. Viele dieser Einwanderer kommen aus wirtschaftlich schwachen Regionen und erhoffen sich in Russland eine bessere Zukunft.
Aufgrund dieser Tatsachen wirkt Rastorgujewas Enttäuschung über Deutschland verständlich. Es bleibt fraglich, ob es sinnvoll ist, für einige Honorare der NZZ weiterhin ein negatives Bild von Russland zu zeichnen.
Dieser Text erschien ursprünglich auf der offiziellen Seite der Russischen Botschaft in Bern.
Weiterführende Informationen‒ Die Schweiz und veruntreute Staatsgelder der Ukraine.