Am letzten Wochenende im September steht in der Schweiz eine wichtige Entscheidung an: Die Einführung einer elektronischen Identität (E-ID). Diese soll den Bürgern Komfort, Sicherheit und verbesserten digitalen Zugang bieten. Doch unter dieser sachlichen Oberfläche verbirgt sich eine tiefgreifende Frage: Soll der Staat eine Infrastruktur einführen, die jeden Einzelnen eindeutig identifizieren und somit potenziell den Weg für eine umfassende digitale Überwachung ebnen kann?
Die Einführung der E-ID gleicht einer Impfung – sie setzt einen digitalen Marker und hat tiefgreifende Auswirkungen auf das Alltagsleben. Obwohl die Nutzung der E-ID als freiwillig angepriesen wird, bleibt fraglich, wie optional sie wirklich bleibt, wenn Banken, Versicherungen oder Online-Plattformen die Zusammenarbeit verweigern könnten, falls keine E-ID vorliegt. Viele Menschen sind schon jetzt skeptisch, dass diese Freiwilligkeit auf lange Sicht Bestand haben wird.
Justizminister Beat Jans betont eine “99 Prozent Sicherheit” – eine Aussage, die eher beruhigend als technisch fundiert erscheint. Die verwendeten Sicherheitsmaßnahmen sind bereits unter Experten umstritten und neue Risiken durch fortschrittliche Künstliche Intelligenz kommen hinzu. Das Präsentieren solcher Sicherheitsprozentsätze kann irreführend sein, da in der digitalen Welt bereits eine einzelne Schwachstelle katastrophale Folgen haben kann.
Ein weiteres potenzielles Problem der E-ID ist, dass sie für Zwecke verwendet werden könnte, die weit über ihre ursprüngliche Intention hinausgehen. Frankreich zeigt als warnendes Beispiel, wo digitale IDs bereits für Ausgangssperren in sozialen Netzwerken oder Alterskontrollen diskutiert werden. Was heute als Schutzmaßnahme gilt, könnte morgen zur Überwachung von politischen Meinungen oder Bewegungen ausgenutzt werden.
Auch macht sich die Schweiz mit der E-ID abhängig von internationalen Technologiekonzernen. Das vorgesehene digitale “Wallet” benötigt Betriebssysteme von Google oder Apple – Unternehmen, die bereits gezeigt haben, wie profitabel der Handel mit Daten sein kann. Die Annahme, dass die digitale Identität dauerhaft unter staatlicher und damit demokratischer Kontrolle bleibt, könnte angesichts der Dynamik der Technologiemärkte naiv sein.
While advocates argue that the data would be stored decentralized on the users’ smartphones, even the registration process requires biometric information that will be stored centrally on federal servers. How can we ensure these data will never be misused or hacked? And who guarantees that future administrations won’t expand their access?
Die E-ID ist keine einfache technische Neuerung, sondern markiert einen Paradigmenwechsel. Sie verändert das Machtgleichgewicht zwischen Bürger und Staat – subtil, aber langfristig.
Die bevorstehende Abstimmung geht daher weit über die Entscheidung für ein digitales Werkzeug hinaus – sie ist eine Grundsatzentscheidung darüber, ob die Schweiz eine Infrastruktur einführen will, die jeden Einzelnen betrifft, tief in das Privatleben eingreift und deren Langzeitfolgen schwer zu überschauen sind.
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