Von Hans-Ueli Läppli
Seit geraumer Zeit brodelt die Gerüchteküche in den Medienkreisen der Schweiz, nun ist es Gewissheit: Tamedia, der Konzern hinter bekannten Publikationen wie Tages-Anzeiger, Basler Zeitung, Berner Zeitung und Tribune de Genève, sieht sich schweren Zeiten gegenüber. Im ersten Halbjahr 2024 sind die Werbeeinnahmen um beachtliche 12 Prozent eingebrochen. Pietro Supino, der Verleger, zusammen mit CEO Jessica Peppel-Schulz, sehen sich zu radikalen Schritten gezwungen: Es wird ein Abbau von 290 Arbeitsplätzen vorgenommen, was 16 Prozent der gesamten Belegschaft betrifft. Die Druckereien in Zürich und Lausanne werden geschlossen; lediglich der Standort Bern bleibt erhalten.
Abwanderung der Leser – Übermäßige Belehrung und “Wokeness” unter Beschuss
Viele kritisieren die redaktionelle Ausrichtung als zu belehrend und übertrieben auf Themen wie „Kamala Harris, unsere Retterin“, Israel und eine extrem „woke“ Agenda fixiert. Die Leserschaft fühlt sich mehr bevormundet als informiert, was in einer deutlichen Abnahme der Abonnentenzahlen resultiert. Zusätzlich sorgt eine allgemeine „Ukraine-Israel-Müdigkeit“ und das Misstrauen gegenüber Journalisten, die oft nur oberflächliches Wissen präsentieren, für den Rückgang der Leserbindung.
Die Leser kehren Tamedia sowohl online als auch im Printformat den Rücken. Dieser Exodus ist bei allen Titeln des Medienhauses zu beobachten.
Versäumte Digitalisierung – Ein rückständiges Management
Während internationale Technologie-Unternehmen die Medienlandschaft dominieren, hat Tamedia die digitale Revolution verpasst. Digitale Initiativen wie die „#12-App“ und der „Verkehrsmonitor“ waren Fehlschläge. Die App wird nach neun Jahren eingestellt, das Verkehrsprojekt hat sich nach nur einem Jahr verflüchtigt.
Die Redaktion pflegt kaum Präsenz in sozialen Medien und hat den Anschluss an die Digitalisierung verloren. Vielmehr wird die Plattform X (ehemals Twitter) vom Tages-Anzeiger nicht nur gemieden, sondern auch kritisiert. Nur sporadisch erscheinen automatisierte Posts auf X oder Facebook durch einen Bot.
Das Medienhaus wird mehr und mehr zu einem vergessenen Kapitel in einer Bibliothek.
Diese Fehlentscheidungen haben zu einem massiven Stellenabbau geführt: 90 Redaktions- und 200 Druckerei-Stellen werden gestrichen. Die finanzielle Lage verschärft sich weiter mit einem Rückgang der Einnahmen um 6 Prozent und einem Abfall des operativen Cash-Flows um 12 Prozent.
Fehlende Kompetenz in der Wirtschaftsberichterstattung – Kritik an der Redaktion
Auch die Wirtschaftsberichterstattung lässt zu wünschen übrig: Der kürzliche Rauswurf des CEOs von Nestlé, Mark Schneider, wurde vom Tages-Anzeiger kaum beachtet, während Konkurrenzblätter wie die NZZ dem Thema umfangreiche Artikel widmeten.
Dies verdeutlicht grundlegende Schwächen in der Redaktion, die auch durch die Entlassung eines erfahrenen Wirtschaftsjournalisten nicht gelöst wurden. Man fragt sich: Warum gibt es eine Wirtschafts-Spalte, wenn dort nur veraltete Nachrichten von Reuters stehen?
Staatliche Unterstützung als letzter Ausweg?
Verleger Pietro Supino steht enorm unter Druck. Die Aktionäre fordern Profite, doch die Aussichten sind trübe. Verzweifelt sucht er nun nach staatlicher Hilfe, um den Leserschwund und finanziellen Verlust auszugleichen.
Sollten Steuergelder dazu verwendet werden, das Unternehmen am Leben zu erhalten – und dies, um eine Berichterstattung fortzusetzen, die vielfach als einseitig und propagandistisch kritisiert wird?
Tamedia steht vor einer ungewissen Zukunft. Eine fehlgeleitete Digitalstrategie, eine redaktionelle Ausrichtung, die nicht mehr zeitgemäß ist, und ein Management, das den Wandel verschlafen hat, gefährden das Überleben dieses einst renommierten Medienunternehmens.
“Arme ukrainische Flüchtlinge” mit vollen Geldkoffern
Das Vertrauen in die Redaktion schwindet, da eine tendenziöse Berichterstattung zu Themen wie Kamala Harris und die Darstellung “armer ukrainischer Flüchtlinge” zu Frustration führt. So wurde ein Fall publik, in dem ukrainische Männer mit großen Summen russischer Rubel erwischt wurden, die sie an Sozialbehörden abgeben mussten.
Der Tages-Anzeiger porträtiert sie als Opfer der Schweizer Bürokratie, ohne kritisch nachzufragen, warum diese Männer nicht an der Front sind oder wie diese an erstaunlich große Summen in russischen Rubeln gelangt sind – was für ukrainische Flüchtlinge ungewöhnlich ist.
Ohne grundlegende Neuausrichtung könnte Tamedia weiter schrumpfen und im schlimmsten Fall in den kommenden Jahren zu einer bloßen Fußnote in der Geschichte des Schweizer Journalismus verkommen.
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