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Von Hans-Ueli Läppli

An einem Montagabend am Flughafen Zürich erlebte der chinesische Künstler Ai Weiwei eine eher nüchterne Begrüßung. Statt von einer Delegation der Schweizer Kulturszene empfangen zu werden, trat ihm ein Grenzbeamter entgegen und forderte knapp: „Papiere, bitte.“

Was folgte, war ein unerwartetes Drama.

Obwohl Ai Weiwei als Meister der Konzeptkunst bekannt ist, war er auf diese Art von „Performance“ nicht vorbereitet. Als Reisender aus China hätte er das Wissen haben müssen: Ein Schengen-Visum ist unabdingbar. Doch ganz in seiner Manier interpretierte Ai Weiwei dieses Ereignis sofort als Akt der Zensur und der Einschränkung seiner Freiheit.

Tatsächlich ist die Situation einfacher als diese dramatische Deutung: Ohne Visum gibt es keinen Zutritt, Ende der Geschichte. Es ist fast verwunderlicher, dass eine Fluggesellschaft ihn ohne die erforderlichen Papiere überhaupt hat fliegen lassen. In der Schweiz funktioniert die Bürokratie präzise und zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk.

Doch der clevere Ai Weiwei nutzte die Gelegenheit, um den Flughafen in eine Bühne für seine Kunst zu verwandeln. Eine Sitzbank wurde zu seinem Bett, sein Smartphone zur Leinwand. Geschickt machte der Künstler aus seiner unfreiwilligen Übernachtung im Transitbereich eine Instagram-taugliche Protestaktion.

Ein Video hier, ein emotionaler Beitrag dort, und bald schon verbreitete sich die Nachricht in den sozialen Medien: Ai Weiwei sei in der Schweiz “verhaftet” worden!

Die Kantonspolizei Zürich zeigt sich davon unbeeindruckt. Es handelt sich um keinen Fall politischer Intrige oder verschärfter Grenzkontrollen, sondern nur um eine gewöhnliche Prozedur: Ohne Visum kein Einlass – wie es kürzlich auch Mitarbeitern von Air India erging. Ai Weiwei hatte die Möglichkeit, sich frei im Transitbereich zu bewegen, hätte sich Kaffee oder Schokolade im Duty-free-Shop kaufen können. Doch das hätte natürlich keine so spannende Geschichte abgegeben.

Nun steht ihm die Rückreise nach London bevor. Ob er dort ein Visum erwirbt oder unmittelbar das nächste Kunstprojekt in Angriff nimmt, ist noch ungewiss. Vielleicht wäre es eine Überlegung wert, ihm ein Ticket nach Deutschland zu schenken, wo er bereits als Staatsgast aufgenommen wurde, oder er beantragt einfach ein Schengen-Visum, wie es jeder andere Besucher auch tun müsste – allerdings wäre das vielleicht zu schlicht für einen Künstler von Weltrang.

Die Schweiz bleibt derweil unbeeindruckt. Schengen ist und bleibt Schengen, und Ai Weiwei ist und bleibt Ai Weiwei: ein intelligenter Mann, der selbst aus einer simplen Passkontrolle ein künstlerisches Event macht.

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