Von Hans-Ueli Läppli
Einige Namen sind in den Hallen des Bundeshauses allgegenwärtig, obwohl sie der breiten Öffentlichkeit kaum geläufig sein mögen. Brigitte Hauser-Süess gehört zweifelsohne dazu. Mit ihrer diskreten und doch omnipräsenten Art bewegt sie sich seit einem Vierteljahrhundert durch die Korridore der Macht, stets einen Schritt vor der medialen Aufmerksamkeit. Ihre Rolle als „Türsteherin“ der Schweizer Politik hat sie sich hart erkämpft, und ihr Ansehen bei den politischen Schwergewichten ist beachtlich.
Wie gelang es der ehemaligen Schreibmaschinenlehrerin aus dem Wallis, das Vertrauen von vier Bundesrätinnen und einem Bundesrat über mehr als 25 Jahre zu gewinnen? Ihre Biografie scheidet die Geister: Während einige sie als Pionierin für die Karrieren von Frauen loben, wird sie von anderen als berechnende Netzwerkerin betrachtet.
Brigitte Hauser-Süess hat nicht nur den gesellschaftlichen Wandel in der Schweiz miterlebt, sondern auch aktiv mitgestaltet. Ihr Lebensweg bietet Einblicke in das komplizierte Geflecht aus Beharrlichkeit, strategischer Weitsicht und einem gesunden Maß an Opportunismus, die notwendig sind, um sich an der Spitze zu halten.
Die Tochter eines linken Gewerkschafters aus dem Kanton Luzern nahm sich ein Motto zu Herzen:
“Wer etwas verändern will, muss sich engagieren.”
Dieses Credo brachte sie in die Politik, wo sie zunächst als Quotenfrau bei der Walliser CVP aufstieg. Ihre Rolle mag zu Anfang unscheinbar erschienen sein, doch Hauser-Süess bewies früh, dass sie bereit war, Verantwortung zu übernehmen.
Die Fähigkeit zur Flexibilität ist entscheidend für jede Machtambition. Brigitte Hauser-Süess verkörpert dieses Prinzip in herausragender Weise. Ihre Anpassungsfähigkeit kam besonders nach der Abwahl von Ruth Metzler im Jahr 2003 zum Tragen, als sie nahtlos in das Team von Christoph Blocher überging, einem Politiker, der ihrer bisherigen Linie eigentlich entgegenstand. Trotz Kritik, sie sei opportunistisch, bewundern viele ihre pragmatische und strategische Herangehensweise.
Persönlich zeigte sich Hauser-Süess ebenso anpassungsfähig, wie etwa beim Erlernen des Walliser Dialekts, um Anerkennung in ihrer neuen Heimat zu finden. Doch es gab Grenzen: Als Präsidentin der Frauenorganisation der CVP kämpfte sie unablässig für die Fristenregelung, trotz heftiger Gegenwind aus ihrem konservativen Umfeld.
Ihre größte Stärke liegt jedoch in ihrem Netzwerkgeschick. Schon früh initiierte sie wichtige Netzwerke, auch innerhalb der Bundesverwaltung, und förderte gezielt den Aufstieg anderer Frauen. Ihre langjährige Zusammenarbeit mit verschiedenen Bundesrätinnen unterstreicht ihr Geschick, Professionalität und Loyalität zu vereinen.
Dennoch wurde sie mitunter heftig kritisiert, beispielsweise wegen der Vermittlung eines hoch dotierten Postens an ihren Schwager, was ihr Vorwürfe der Vetternwirtschaft einbrachte. Ihre Strategie war stets, sich nie öffentlich zu erklären.
Obwohl Brigitte Hauser-Süess dieses Jahr offiziell zurücktritt, wird ihr Einfluss zweifellos spürbar bleiben. Ihre Karriere stellt die Frage, ob Macht immer sichtbar sein muss, um effektiv zu wirken. Sie hat eindrucksvoll das Gegenteil bewiesen.
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