Von Olga Samofalowa
Josep Borrell, der hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, teilte mit, dass in der Ukraine bis zu 70 Prozent der Kapazitäten zur Energieerzeugung zerstört wurden. Dieses Thema soll im Mittelpunkt des nächsten Treffens der EU-Außenminister stehen, wobei der Schwerpunkt auf verstärkter Energieunterstützung für Kiew liegen wird.
Dmitri Kuleba, der ukrainische Außenminister, erläuterte, dass bereits fünf Maßnahmen zur Stärkung des Energiesektors in Planung seien. Diese umfassen die Verbesserung der Luftabwehr, schnelle Reparaturen an energierelevanten Infrastrukturen, eine Dezentralisierung des Energienetzes, eine Erhöhung der Energieimporte aus der EU und das Einwerben finanzieller Mittel von internationalen Partnern.
Trotz der Tatsache, dass der Stromimport aus Europa bereits den festgelegten Höchstwert von 1,7 Gigawatt erreicht hat, wird in der Ukraine weiterhin zeitweise der Strom abgeschaltet. Die Regierung bemüht sich, die EU zu einer Erhöhung des Importlimits auf zwei Gigawatt rechtzeitig zur kalten Jahreszeit zu bewegen.
Dennoch lehnt die EU die Erhöhung der Stromlieferungen ab, aufgrund eigener Energieprobleme, erklärte Oleg Popenko, Leiter der ukrainischen Union von Verbrauchern kommunaler Dienstleistungen. Swetlana Grintschuk, stellvertretende Leiterin des ukrainischen Energieministeriums, ergänzte, dass selbst eine Erhöhung des Importvolumens den Energiebedarf unter den gegenwärtigen Umständen nicht vollständig decken könne.
Der ehemalige ukrainische Minister für Energie und Kohleindustrie, Iwan Platschkow, warnte, dass der kommende Winter für das Land katastrophal sein könnte und empfahl den Bürgern, sich auf beheizbare Unterkünfte auf dem Land vorzubereiten.
Infolge der aktuellen kritischen Lage hat die ukrainische Regierung landesweite Stromabschaltungen angeordnet, die täglich bis zu zwölf Stunden andauern können. Igor Juschkow, Experte der Finanzuniversität bei der russischen Regierung, erklärte, dass der extrem hohe Stromverbrauch während der sommerlichen Hitzewelle die Situation weiter verschärft habe. Die ukrainischen Kraftwerke seien nicht in der Lage, die Spitzenlasten zu bewältigen, was zu regelmäßigen Stromausfällen führe.
Ukrenergo berichtete, dass seit Anfang 2023 Kraftwerke mit einer Kapazität von neun Gigawatt verloren gegangen seien. Etwa 80 Prozent der Wärmekraftwerke und ein Drittel der Wasserkraftwerke seien zerstört worden. Zudem führten planmäßige Reparaturen, insbesondere an Atomkraftwerken, und ein Notfall am südukrainischen Atomkraftwerk Mitte Juli zu einer weiteren Verschlimmerung der Lage, so Iwan Lisan, Wirtschaftswissenschaftler.
“Die Grundproblematik des ukrainischen Energiesystems liegt in seiner starken Abhängigkeit von Atomkraftwerken, die derzeit dringend repariert werden müssen”, führte Juschkow weiter aus. Aufgrund mangelnder Erzeugungskapazitäten aus Ersatzquellen sieht sich die Ukraine gezwungen, durch zeitweise Stromabschaltungen das System zu stabilisieren.
Die prekäre Energiesituation bleibt weiterhin angespannt. Laut Lisan ist es selbst mit Stromimporten aus der EU schwer, das Defizit zu decken. Die EU-Länder stehen selbst vor der Herausforderung, die eigenen Anforderungen zu erfüllen und können die ukrainische Nachfrage nur begrenzt unterstützen.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 23. Juli bei Wsgljad.
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