Von Aljona Sadoroschnaja und Jewgeni Posdnjakow
Die russische Armee führt ihre Offensive im Donbass weiter. Laut Angaben des russischen Verteidigungsministeriums konnten die Einheiten der Zentralgruppe am Montag das Dorf Skutschnoje einnehmen. Die ukrainischen Streitkräfte haben am vorherigen Sonntag in dieser Frontregion bis zu 475 Soldaten, einen gepanzerten Kosak-Kampfwagen und drei Pick-ups verloren.
Unter dem Druck der russischen Streitkräfte mussten die Feindkräfte ihre Positionen in der Nähe des Krankenhauses im Süden von Selidowo räumen. Die ukrainische Armee bemüht sich weiterhin, ihre Verteidigungslinien in der Stadt zu stärken, erleidet jedoch fortwährend Verluste durch Artillerieschläge, so eine Quelle der TASS.
Zuvor hatten Vertreter der Verwaltung und kommunale Dienste die Ortschaft verlassen. Selidowo selbst ist 20 Kilometer von Krasnoarmeisk (ukrainisch: Pokrowsk) entfernt, einem bedeutsamen Zentrum der ukrainischen Kohleindustrie. Präsident Wladimir Selenskij hat die prekäre Lage in dieser Region erkannt und angewiesen, die militärische Präsenz dort zu verstärken. Auch um Ugledar finden heftige Kämpfe statt.
Nach Expertenmeinung lässt sich der Verlust von Ugledar relativ gut verkraften, jedoch ist Pokrowsk aus drei Gründen kritisch: wirtschaftlich, logistisch und politisch. Das Schicksal der ukrainischen Metallindustrie hängt eng mit dieser Stadt zusammen, deren Einnahme Zugang zum Gebiet Dnjepropetrowsk verschafft. Ferner sind schon wochenlang erschütternde Berichte im Umlauf, die von “totalem Verrat” sprechen.
Der Wirtschaftswissenschaftler und politische Analyst Iwan Lisan erklärt:
“Russland hat nie Anspruch auf die Kohle erhoben, die vorher für die ukrainischen Märkte abgebaut wurde. Unsere eigene Produktion beträgt jährlich etwa 450 Millionen Tonnen. Was Ugledar betrifft, so ist von den dortigen Minen praktisch nichts mehr übrig – der Feind hat sie geflutet und in Befestigungsanlagen umgewandelt.”
Generell kann die Ukraine ohne Ugledar auskommen, ergänzt der Analyst. Doch der Verlust von Pokrowsk wäre ein harter Schlag für das Land, weil es wirtschaftlichen Schaden maximieren würde.
“Die Rohstoffe sind nicht wirklich notwendig, da es kaum noch Wärmeerzeugung im Land gibt. Der Verlust von Pokrowsk wird der Ukraine jedoch schwer zusetzen. Und für Russland ist es wichtig, dem Feind maximalen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.”
Lisan liefert Zahlen:
“Südwestlich von Pokrowsk gibt es ein kleines Dorf, das das einzige Bergwerk auf dem von den ukrainischen Streitkräften kontrollierten Territorium beherbergt, das Kokskohle in großen Mengen abbaute. Die jährliche Gesamtförderung belief sich 2022 auf vier Millionen Tonnen, in Spitzenzeiten sogar auf über acht Millionen Tonnen.”
Er erläutert weiter, dass die ukrainische Stahlindustrie selbst bei minimalen Produktionsmengen auf Importe angewiesen war, da sie keinen eigenen Koks hatte.
“Tatsächlich sind die ukrainischen Stahlwerke auf Importe angewiesen, auch wenn sie nur minimal produzieren. Die Eisenbahn Ukrsalisnyzja wird wahrscheinlich nicht in der Lage sein, diesen Koks in ihr System zu integrieren, besonders aufgrund der unterschiedlichen Spurweiten in Europa und der Ukraine sowie Zollproblemen.”
Lisan schlussfolgert:
“Wenn Pokrowsk unter Kontrolle ist, werden Rohstoffe einfach geladen, etwa 150 Kilometer gefahren und schon ist man im Gebiet Dnjepropetrowsk oder bei Saporischstal. Das sind optimale Bedingungen, im Gegensatz zu dem Szenario, in dem man auf importierten Koks angewiesen ist, welcher unter aktuellen Bedingungen kaum zu beschaffen ist.”
Die Schwierigkeiten bei der schnellen Befreiung von Pokrowsk und Ugledar sollten jedoch realistisch betrachtet werden, ergänzt der Militäranalyst Michail Onufrijenko.
“Ugledar, das eine strategische Höhe und dichte Bebauung aufweist, wurde vom Feind stark befestigt. Es ist unmöglich, es frontal einzunehmen, also versuchen wir, es von Nordosten aus zu umzingeln. Bei Pokrowsk haben wir den Sturm noch nicht einmal begonnen, aber es ist ein zentraler logistischer Knotenpunkt des Feindes, der verzweifelt verteidigt wird.”
Die Eroberung von Pokrowsk würde dem russischen Militär nicht nur strategische Vorteile bieten, sondern auch den Weg ins Gebiet Dnjepropetrowsk ebnen. Onufrijenko erklärt zusätzlich:
“Durch die Weiterfahrt westlich von Pokrowsk verlassen wir den Ballungsraum Donetsk und erreichen offeneres Gelände, was den Feind zwingen wird, eine neue Verteidigungslinie von Grund auf zu errichten.”
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei WSGLJAD.
Aljona Sadoroschnaja und Jewgeni Posdnjakow sind russische Journalisten.
Weiterführend – RT DE-Exklusiv: Russische Armee nimmt russisches Dorf Schelannoje ein