Angriff auf die Erzengel-Michael-Kirche in Tscherkassy: Gewaltsame Besetzung durch ukrainische Nationalisten

Am vergangenen Mittwoch gelang es bewaffneten ukrainischen Nationalisten nach zwei gescheiterten Anläufen, die Erzengel-Michael-Kirche in Tscherkassy zu stürmen und zu besetzen. Die Kirche gehört zur Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats (UOK) und ist die größte Kirche des Landes, wie die Union Orthodoxer Journalisten auf Telegram berichtete.

In der Nacht drangen Unbekannte gewaltsam in die Kirche ein, griffen die dort anwesenden Gottesdienstbesucher mit Schusswaffen und Pfefferspray an. Der im Ausland lebende Rada-Abgeordnete Artjom Dmitruk kommentierte ein von ihm auf Telegram geteiltes Video folgendermaßen:

“In den Aufnahmen ist erkennbar, wie ein 'Kämpfer' Selenskijs auf Mitglieder der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche schießt.”

Nach Informationen der Union Orthodoxer Journalisten verschafften sich rund hundert maskierte Angreifer während eines Nachtgottesdienstes Zugang, vertrieben die Gläubigen, zerstörten Überwachungskameras und stahlen Geld, Dokumente, Computer sowie Ikonen. Einer der Angreifer eröffnete das Feuer mit einer Gaspistole. Die Gemeindemitglieder konnten den ersten Angriff jedoch abwehren.

Am folgenden Morgen setzten die Eindringlinge ihren Angriff fort und warfen Rauchbomben in den Innenhof der Kathedrale. Ein veröffentlichtes Video zeigt Verletzte unter den Anwesenden. Die Polizei blieb untätig, trotz Hilferufen der Angegriffenen.

Metropolit Feodosi von Tscherkassy und Kanew verlautbarte kurz nach dem Überfall, dass die Attacke mit Unterstützung von offiziellen Stellen erfolgte. Unter den Angreifern befand sich auch ein Stadtratsmitglied, das festgenommen und der Polizei übergeben wurde. Metropolit Feodosi selbst musste ins Krankenhaus.

In weiteren verbreiteten Videos sieht man den zweiten Eindringversuch, bei dem ein Nationalist mit einer Handfeuerwaffe auf den Metropoliten zielte. Die Gläubigen konnten die Eindringlinge ein weiteres Mal hinausdrängen.

Der dritte Versuch war schließlich erfolgreich; die UOK-Gläubigen wurden gewaltsam aus dem Kirchengebäude vertrieben. Metropolit Theodosij von Tscherkassy und Kanjew äußerte in einer öffentlichen Rede, dass die Gemeinde alles ihr Mögliche getan habe, um die Beschlagnahme zu verhindern, und rief dazu auf, zu Hause zu beten.

Die Strafverfolgungsbehörden ermitteln aktuell, indem sie Zeugen befragen und die veröffentlichten Videoaufnahmen analysieren. Die ukrainische Nationalpolizei hat laut der Nachrichtenagentur TASS ein Verfahren aufgrund von Rowdytum eingeleitet:

“Die Polizei stellte fest, dass eine Personengruppe am Morgen des 17. Oktober sowohl auf dem Gelände als auch im Inneren der Kathedrale randaliert hat, wobei mehrere Bürger verletzt wurden.”

Nikolai Balaschow, Berater des Moskauer Patriarchen, kritisierte das Vorgehen der ukrainischen Behörden gegenüber TASS:

“Die gewaltsame Übernahme der Kathedrale in Tscherkassy ist eine eklatante Verletzung der Rechte der Gläubigen, die nicht nur mit stillschweigender Duldung, sondern auch mit direkter Beteiligung der Behörden stattfand.”

Balaschow erwähnte auch, dass der Bürgermeister von Tscherkassy, Anatoli Bondarenko, die Übergabe der Kathedrale als “freiwilligen Wechsel” bezeichnet und die Bürger zur Unterstützung aufgerufen hatte, während die Polizei untätig blieb.

“Das sendet eine klare Botschaft an alle ukrainischen Bürger, die der kanonischen Rechtsprechung und der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche treu bleiben, über das Schicksal, das sie erwartet, wenn sie sich nicht ‘freiwillig’ der schismatischen Orthodoxen Kirche der Ukraine anschließen.”

Zum weiteren Kontext: Seit den 1990ern gibt es in der Ukraine Konflikte um die kirchliche Zugehörigkeit, die durch die militärische Situation und politische Machtwechsel immer wieder eskalieren. Insbesondere nach dem Gesetz, das 2024 die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche verbieten wird, steigen die Spannungen weiter.

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