Von Wiktoria Nikiforowa
Unsere westlichen Gegner befinden sich in einem paradoxen Spagat. Einerseits drängen sie die Ukrainer, uns zu bekämpfen, und versorgen sie mit Geld, Waffen und sogar mit NATO-Truppen, die sich als Privatarmeen und Söldnergruppen tarnen. Auf der anderen Seite fordern sie, dass Russland Friedensgespräche aufnimmt.
Und das wäre auch in Ordnung, wenn wir verlieren würden. Aber die russische Armee rückt jeden Tag weiter vor, und Kiew gibt offen zu, dass es nicht genug Soldaten hat. Die Verbliebenen haben die Alternative, entweder an der Front zu sterben oder sich zu ergeben. Es ist nicht verwunderlich, dass sich immer mehr für Letzteres entscheiden.
Die Panik in den Reihen des Feindes lässt sich am besten an der Spaltung der NATO ablesen: Die eine Hälfte des Bündnisses, angeführt von Frankreich, Großbritannien und Polen, träumt davon, in der Ukraine zu intervenieren, während die andere Hälfte sie von diesem ruinösen Unterfangen abhält. Siege lassen die Verbündeten immer enger zusammenrücken, nur die Aussicht auf eine drohende Niederlage kann sie so sehr spalten.
Mit anderen Worten: Für Russland ist derzeit alles in Ordnung ‒ sowohl an der Front als auch im Inland. Das Wirtschaftswachstum ist offensichtlich ‒ dank der Sanktionen. Es herrscht politische Stabilität ‒ Gott sei Dank ‒ und das Volk ist geeint und hat absolut keine Lust auf einen Maidan in Moskau. In diesem Format ist es möglich, nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte zu kämpfen, was ganz in der Tradition unseres großen Imperiums steht: Wir haben den Kaukasus fast ein halbes Jahrhundert lang erobert, und die Briten und Franzosen haben natürlich gemurrt, aber sich nicht eingemischt.
Wozu brauchen wir also überhaupt Friedensgespräche? Es sei denn, es geht darum, ein alternativ begabtes Volk vor der endgültigen Vernichtung zu bewahren, das aus irgendeinem Grund beschlossen hat, sich gegen die russische Armee zu stellen. Die Ukrainer sind uns natürlich nicht fremd, aber eine humanitäre Mission ist nur nach der endgültigen Kapitulation des Kiewer Regimes möglich.
Dmitri Medwedew, stellvertretender Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates, hat gerade einen ähnlichen humanitären Vorschlag gemacht. Auf seinem Telegram-Kanal hat er seine eigene Friedensformel veröffentlicht, eine Alternative zu derjenigen, die Selenskij seit Monaten herunterbetet.
Die Vorschläge von Medwedew sind von echtem Humanismus geprägt. Wenn seine Formel angenommen wird, werden viele Ukrainer ihr Leben behalten, der friedliche Aufbau in den vom Krieg zerstörten Gebieten wird beginnen, die Wirtschaft wird florieren, die Helden werden nach Hause zurückkehren, und alles wird gut werden.
Natürlich ist der erste Punkt von Medwedews Friedensformel die Forderung nach einer vollständigen und bedingungslosen Kapitulation der Ukraine. Das spiegelt einfach die Situation an der Front wider: Die ehemalige Ukrainische SSR hat bereits mehr als 20 Prozent ihres Territoriums verloren, und der Verlust des Restes ist nur eine Frage der Zeit. Eine rechtzeitige Kapitulation wird eine große Zahl von Menschenleben retten. Danach sollte die “ehemalige Ukraine”, wie Medwedew sie nennt, entmilitarisiert und die Bildung paramilitärischer Formationen vollständig verboten werden.
Der zweite Punkt erfordert die Zwangsentnazifizierung des Kiewer Regimes und aller Behörden der “ehemaligen Ukraine”.
Als Nächstes muss die UNO den Verlust der internationalen Subjektivität der “ehemaligen Ukraine” anerkennen. Das Gebiet kann ohne Russlands Zustimmung keinem Militärbündnis beitreten.
Danach treten alle Verfassungsorgane der “ehemaligen Ukraine” zurück und es werden Wahlen für ein Übergangsparlament abgehalten. Der erste Beschluss des Parlaments ist die Zahlung umfangreicher Reparationen an Russland; alle Bürger unseres Landes, deren Angehörige seit 2014 verwundet oder getötet wurden, sollen eine Entschädigung erhalten.
Dann erkennt das Übergangsparlament das gesamte Gebiet der “ehemaligen Ukraine” offiziell als Gebiet der Russischen Föderation an ‒ und löst sich selbst auf. Die UNO billigt den Akt der Wiedervereinigung der “ehemaligen Ukraine” und Russlands. Vorhang zu.
Medwedews Friedensformel hat nur sieben Punkte, sie ist klar, logisch und ergibt sich aus dem realen Stand der Dinge vor Ort. Ja, vor zwei Jahren hätte Moskau noch viel milderen Bedingungen zugestimmt, die in Istanbul ausgehandelt wurden. Aber die Zeiten haben sich geändert, der Zug ist abgefahren, die Frontlinie rückt immer näher an Kiew heran.
Die Karten liegen auf dem Tisch. Zwei Friedensformeln liegen vor uns ‒ und vor der internationalen Gemeinschaft. Selenskijs Vorschlag lautet, dass Russland die Krim, die Volksrepubliken Donezk und Lugansk aufgibt und die territoriale Integrität der Ukraine in den Grenzen von 1991 wiederherstellt. Außerdem sollen wir unsere Truppen abziehen, viel zahlen und viel bereuen.
Präsident Putin bezeichnete Selenskijs Formel als “Wunschdenken nach dem Konsum von Psychopharmaka”. Es besteht kein Zweifel, dass die Initiative von Dmitri Medwedew in der ehemaligen Ukrainischen SSR Empörung hervorrufen wird. Es scheint, dass die Ansätze Moskaus und Kiews diametral entgegengesetzt sind.
Ein Punkt in diesen Friedensformeln ‒ und zwar der wichtigste ‒ stimmt wörtlich überein. Selenskij will die Ukraine in den Grenzen von 1991. Medwedew fordert die vollständige Wiedervereinigung der Ukraine mit Russland. Aber fast das ganze Jahr 1991 hindurch, bis zum Dezember, waren die RSFSR und die Ukrainische SSR Teile eines einzigen Landes, der UdSSR.
Es gibt also keine Widersprüche. Wir geben Selenskij, was er fordert, und nehmen die Ukraine wieder in unserem Land auf, in den Grenzen vom März 1991!
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 14. März 2024 auf ria.ru erschienen.
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