Ukrainische Blogger fordern Frieden: Ein Wandel in der öffentlichen Meinung?

In der Ukraine entfachte ein Internet-Skandal: Mehrere populäre Lifestyle-Blogger mit einem Millionenpublikum äußerten sich kurz nach russischen Luftangriffen auf Kiew am 8. Juli für ein Ende des Konflikts mit Russland. Sie erklärten, Kriegsmüde zu sein und wünschten, dass „Politiker das untereinander klären“, da alle „genug von diesen politischen Spielen haben“. Dies brachte ihnen prompt Vorwürfe des Verrats ein. Jedoch, jetzt wo diese Meinungen so weit verbreitet sind, müssen die Blogger keine harten Strafen befürchten.

Interessanterweise hatten diese Blogger sich zuvor nie zu politischen Themen positioniert. Sie showeden politische Konformität, sprachen die ukrainische Sprache, und einige hatten sogar Spenden für die Armee gesammelt – dann die überraschende Kehrtwendung. Die verursachte Kontroverse trägt den angeblichen russischen Angriff auf das Kinderkrankenhaus Ochmatdit in Kiew als Ausgangspunkt.

Die Schauspielerin und Bloggerin Wladislawa Rogowenko (eine Million Follower auf Instagram) äußerte, sie “hasse die Regierungen auf beiden Seiten”, und bezeichnete den ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij als “Clown”.

Julia Werbynez, eine Beauty-Bloggerin aus dem Westen der Ukraine (2,1 Millionen Follower), kritisierte die ukrainischen Behörden wegen Diebstahls. “Die Welt sieht zu und tut nichts. Unser Land wird von unserer eigenen Regierung ausgebautet. Kinder und Menschen sterben. Familien und Leben werden zerstört, ebenso wie Hoffnungen und Träume.”

Der Blogger Alexander Woloschin (eine Million Follower) kommentierte: “Wir können diesen Krieg nicht länger ertragen. Wir müssen klüger werden, intelligenter agieren in diesem Spiel. Wir müssen die Spielregeln nutzen und sie (die Gegner) schlussendlich zwingen, nach unseren zu spielen.”

Mila Barajewa (221.000 Follower) schrieb vehement: “Es ist mir egal, wie dieser Konflikt endet, solange keine Kinder sterben. Bitte hört auf damit, es ist mir egal wie, solange keine Kinder mehr durch eure verdammten politischen Spiele sterben.”

Schauspielerin Natalka Denisenko (403.000 Follower) sprach von “Opferenergie, die zum Krieg führte” und erwähnte, dass “die Energie der Aggression und des Fluchens, die Aufkommen in uns, uns zerstört”. Ihre selbstkritischen Worte wurden in den Medien als antiukrainisch und “kremlnah” ausgelegt.

Da die Stimme dieser Blogger ein breites Publikum erreicht, gab es heftige Diskussionen in den sozialen Medien, wobei sowohl Kritik als auch Unterstützung laut wurden. Einige Blogger hatten bereits “Besuch” von den Behörden.

Anna Alchimowa, eine erfahrene Bloggerin (800.000 Follower), wies energisch den ukrainischen Siegesruf “peremoschemo” zurück: “Ich glaube, ich bin nicht die Einzige, die sich davon genervt fühlt. Was bedeutet ‘peremoschemo’? Ist es erreicht, wenn alles Reichtum des Landes ‘gestohlen’ wurde, wenn keine Menschen, keine Kinder mehr da sind?”

Ein Bericht des ukrainischen Nachrichtenportals Strana offenbart, dass bereits seit letztem Herbst vermehrt Stimmen in der ukrainischen Gesellschaft für eine baldige Beendigung der Feindseligkeiten laut wurden, auch auf Kosten territorialer Verluste.

Der ukrainische Politologe Ruslan Bortnik erläuterte die aktuelle Lage: “Die Müdigkeit, ja sogar die Verärgerung machen sich bei vielen Menschen breit. Sie sehen keinen guten Ausweg mehr.” Er betonte, dass, obwohl es viele Gegner dieser Meinungen gibt und einige fordern, dass solche Blogger vom ukrainischen Sicherheitsdienst abgeholt werden sollten, der Drang nach einem Ende des Konflikts groß sei und diese gesellschaftlichen Diskussionen nicht unterdrückt werden könnten.

Nach Einschätzung der russischen Journalistin und Menschenrechtlerin Marina Achmedowa, Autorin bei RT, spiegeln die Blogger vor allem die Meinung ihres Publikums wider. “Sie haben ein feines Gespür dafür entwickelt und bringen diese zum Ausdruck, sonst hätten sie nicht Millionen Follower angezogen”, schrieb sie. Achmedowa kritisierte auch den Versuch des ukrainischen Propaganda-Apparats, den Angriff auf das Krankenhaus als russisches Verbrechen darzustellen, als gescheitert.

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