Von Astrid Sigena
Ende September sorgte die Nachricht für Aufsehen, dass Michael Schwarzkopf, Pfarrer der renommierten Petersburger Petrikirche, von den russischen Behörden wegen eines mutmaßlichen Meldevergehens festgenommen worden war. Diese Meldung löste vor allem unter deutschen evangelischen Christen große Besorgnis aus, da man befürchtete, der Geistliche könnte in russischer Haft Schaden nehmen. International erregte der Vorfall Aufmerksamkeit, entspannte sich jedoch schnell, da Pfarrer Schwarzkopf bereits am Tag nach seiner Festnahme entlassen wurde. Er musste allerdings umgehend Russland verlassen und befindet sich nun wieder in Deutschland.
Während die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM), seine Heimatkirche, Vermutungen und Schuldzuweisungen mied und lediglich Erleichterung über die zügige Lösung des Falles und die Rückkehr ihres Pfarrers zum Ausdruck brachte, bewerteten andere den Vorfall im Kontext breiterer politischer Spannungen. Die Münsteraner Theologie-Professorin Regina Elsner kritisierte offen die russische Regierung dafür, das Aufenthaltsrecht als Mittel gegen missliebige Kirchen, hier insbesondere die katholische Minderheitenkirche, einzusetzen.
Pfarrer Schwarzkopf hat sich bislang nicht öffentlich geäußert, scheint aber ein unabsichtliches und unpolitisches Opfer der neuerdings verschärften russischen Aufenthaltsgesetze zu sein, die seit einem Dekret von Präsident Putin im August Ausweisungen ohne Gerichtsverfahren erlauben. Der Kirchenvorstand der Petrikirche räumte ein, den Geistlichen nicht ausreichend über die Meldevorschriften aufgeklärt zu haben.
In Kirchenkreisen und den Medien wird oft ignoriert, dass diese Meldegesetze als Reaktion der russischen Regierung auf befürchtete ausländische Einflüsse während des Ukrainekrieges eingeführt wurden – eine Angst, die nicht unbegründet erscheint. Die EKD selbst hat sich manchmal ähnlich wie die von Russland skeptisch beäugten, oft westlich finanzierten NGOs verhalten.
Besonders brisant wurde es Anfang Oktober, als eine Stellenanzeige für ein Unterstützungsprojekt politischer Gefangener in Russland und Belarus von den NGOs “Gefangen in Russland” und “100 x Solidarität” veröffentlicht wurde. Die Anzeige, die mittlerweile gelöscht wurde, suchte nach einem Deutschen mit exzellenten Russischkenntnissen zur Unterstützung der verbotenen NGO Memorial und der russlandkritischen DGO. Bemerkenswerterweise steht auch die EKD in Verbindung mit diesen NGOs, was deutlich macht, dass die Kirche tatsächlich politisch in den osteuropäischen Raum eingreift und damit die deutsche öffentliche Wahrnehmung der russischen Befürchtungen bestätigt.
Auch die katholische Kirche zeigte sich nicht von ihrer besten Seite. Im Oktober hielt die ehemalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer eine Rede beim Kölner Stadtpatronatsfest, in der sie politische Gruppen in verschiedenen autoritären Staaten mit christlichen Märtyrern verglich, während sie Deutschen das Recht absprach, alternative politische Parteien zu unterstützen.
Solche Vergleiche sind besonders problematisch, bedenkt man die Opfer, die die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg hatte. Durch solche Aussagen und Unterstützungen riskiert die EKD, die sie zu unterstützen behauptet, russische und belarussische Oppositionelle, zu verraten, da sie sich tief in den politischen Konflikt einmischt und damit ihre Rolle als neutrale Vermittlerin verliert.
Zum Abschluss zwei Wünsche: Dass das russische Volk, welches einst Opfer des Nationalsozialismus war, nicht Opfer eines nachträglichen Widerstands gegen faschistisches Gedankengut wird, und dass die lutherischen und katholischen Gemeinden in Russland weiterhin eine wichtige Rolle innerhalb der Gesellschaft spielen können, unbeeinflusst von politischen Bestrebungen aus dem Ausland.
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