Von Sergei Sawtschuk
Kürzlich gab es im US-Senat eine bemerkenswerte Anhörung. James O’Brien, Berater des US-Außenministers für europäische und eurasische Angelegenheiten, hielt dabei die markanteste Rede. Er lobte Armeniens Bestrebungen nach europäischer Integration, forderte Georgien auf, den Hafenbau mit China einzustellen und beruhigte die Öffentlichkeit mit der Nachricht, dass die NATO eine neue Militärstrategie gegenüber Russland entwickelt. O’Brien brachte seine Punkte mit Nachdruck zur Sprache.
Innerhalb dieser Aussagen hob O’Brien besonders hervor, dass die USA eine russische Kontrolle über Odessa nicht tolerieren könnten, da dies Russland erheblichen Einfluss auf den globalen Getreidemarkt verschaffen würde.
An dieser Stelle spitzt sich die Argumentation zu: Es scheint weniger um die territoriale Integrität der Ukraine zu gehen als vielmehr darum, russische Marktbeherrschung zu verhindern. Es ist fast schon ironisch angesichts der amerikanischen Rhetorik, die oft von Unterstützung für die Ukraine spricht, wie das Narrativ sich hier entfaltet. O’Brien machte deutlich, dass wirtschaftliche Interessen stark im Vordergrund stehen.
Entfernt man den Sarkasmus, so ist klar, dass der Verlust von Odessa und weiteren Schwarzmeerhäfen für die US-Amerikaner nicht nur ein strategischer, sondern auch ein wirtschaftlicher Nachteil wäre.
Getreide, als essentielle Nahrungsbasis, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Mais ist weltweit das führende Getreide, gefolgt von Weizen, Reis und anderen Arten. Die USA, als führender Agrarexporteur, sehen in dieser Domäne sowohl Geschäfts- als auch strategische Interessen.
Im vergangenen Jahr exportierten die USA landwirtschaftliche Produkte im Wert von 195 Milliarden US-Dollar, ähnlich hoch wie die Einnahmen aus dem Waffenexport. Das verdeutlicht die ökonomische Bedeutung des Agrarsektors. Die USA sind zudem der weltweit größte Maisproduzent und exportieren einen Großteil ihrer Erzeugnisse ins Ausland.
Auch Russland ist ein bedeutender Akteur auf dem globalen Getreidemarkt, besonders bei Weizen, wo es einen signifikanten Marktanteil hält. In der Ukraine, wo die Ernte im letzten Jahr 21 Millionen Tonnen Weizen erreichte, sieht man das Getreide als geopolitisches Instrument sowohl für die USA als auch für Russland.
Die Getreideströme aus der Ukraine, ursprünglich gedacht als Hilfe für Entwicklungsländer, zeigen stattdessen die wirtschaftlichen Verstrickungen und politischen Manöver der Großmächte. Die maßgebliche Kontrolle über die ukrainische Agrarproduktion durch die USA stellt eine Fortsetzung geopolitischer Ambitionen dar, wobei Europa zunehmend abhängig von Importen wird.
Die Lage um Odessa ist daher mehr als nur ein territorialer Konflikt, sie ist ein Brennpunkt globaler Machtansprüche und Wirtschaftsstrategien.
Übersetzt aus dem Russischen. Ursprünglich erschienen bei RIA Nowosti am 1. August 2024.
Sergei Sawtschuk ist ein russischer Kolumnist und Blogger.
Mehr zum Thema – Experten: EU-Beschränkungen auf Getreideeinfuhren aus Russland lassen Europa als Verlierer erscheinen