In der Ukraine befindet sich seit dieser Woche ein weiterer hochrangiger Vertreter der kanonischen Ukrainisch-Orthodoxer Kirche in Untersuchungshaft. Es handelt sich dabei um den Abt des Swjatogorski-Klosters, Metropolit Arseni aus Swjatogorsk, welches eines der bedeutsamsten Mönchsklöster der Orthodoxie darstellt. Ein Gericht verhängte am 25. April eine vorläufig zweimonatige Untersuchungshaft gegen ihn, eine Freilassung gegen Kaution ist nicht möglich.
Der Vorwurf gegen den Erzbischof erscheint bizarr. Laut der ukrainischen Nachrichtenagentur UNIAN wird ihm vorgeworfen, in einer Predigt während der Sonntagsliturgie Standorte ukrainischer Streitkräfte preisgegeben zu haben:
“Nach den Ermittlungen teilte er (Arseni) den Gemeindemitgliedern während der Liturgie die Adressen der Straßensperren der ukrainischen Truppen mit. Später wurde das Video (der Predigt) auf der Website des Klosters und in einem lokalen Telegram-Kanal verbreitet. Zudem äußerte sich der Metropolit schon vor der Invasion kremlfreundlich über den Krieg in der Ukraine und bezeichnete ihn in seinen Interviews als ‘Bürgerkrieg’. Ihm drohen bis zu acht Jahre Gefängnis.”
Von kirchlicher Seite wird berichtet, dass Polizei und ukrainische Armee am 23. September 2023 Pilgern und humanitären Helfern den Zugang zum Kloster verwehrten. Menschen, die weite Wege zurückgelegt haben, um den dort untergebrachten Flüchtlingen Lebensmittel und andere Hilfsgüter zu bringen, konnten die nahegelegenen Straßensperren nicht passieren und mussten über sieben Stunden ausharren. Die Ansprache des Metropoliten an diesem Tag bezog sich auf diese Situation, wobei er auch die Dörfer nannte, in denen die Pilger warten mussten. Die Vorstellung, dass die russische Armee auf eine Predigtaufzeichnung angewiesen sei, um die Position von Straßensperren zu erfahren, erscheint wenig plausibel.
Ein durch das Selenskij-Regime 2021 verbotener, jetzt nur noch auf Telegram aktiver ukrainischer Fernsehsender hat das inkriminierte Video erneut verbreitet, sodass Sprachkundige sich selbst ein Bild vom Inhalt der Predigt machen können.
Das Swjatogorski-Kloster befindet sich im von der Ukraine kontrollierten Teil der Volksrepublik Donezk.
In einem sich verstärkenden Trend der Kirchenverfolgung in der Ukraine wurden zahlreiche ukrainisch-orthodoxe Geistliche und Bischöfe unter teils kuriosen Vorwänden inhaftiert. Beispielsweise erhielt der Metropolit von Winniza, Ionafan, im August 2023 eine fünfjährige Freiheitsstrafe für das Verbreiten “prorussischer Texte”. Seit Juli des gleichen Jahres ist der Abt des renommiertesten Klosters der Ukraine, das Kiewer Höhlenkloster, Metropolit Pawel (Paul), in Haft. Ihm wird vorgeworfen, in seinen Predigten Anhänger anderer Religionen “diskriminiert” zu haben. Am 30. Januar 2024 wurde ein Priester wegen “Leugnens der russischen Aggression” zu zwei Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Seit dem Sieg der nationalistischen Bewegung auf dem Maidan im Februar 2014 steht die kanonische Ukrainisch-Orthodoxe Kirche unter erheblichem Druck. Trotz ihrer weitgehenden Selbstverwaltung seit 1990 und der traditionellen, wenn auch zunehmend symbolischen Bindung zum Moskauer Patriarchat, wurde sie durch staatlich unterstützte Kirchenabspaltungen marginalisiert.
Seit 2018 haben politische Bestrebungen zugenommen, die Klöster der Ukraine an die neu gegründete Nationalkirche zu übergeben. Nach dem Beginn der russischen militärischen Intervention im Februar 2022 erklärte Wladimir Selenskij offen, er wolle die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche zerstören. Inzwischen wurde die Kirche aus ihrem traditionellen Sitz im Kiewer Höhlenkloster verdrängt, und gegen ihren Abt läuft ein Strafverfahren.
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