Nord-Stream-Sabotage: Hat die Ukraine ihre Finger im Spiel?

Von Gleb Prostakow

Die Bombenanschläge auf die Nord-Stream-Pipelines im September 2022 markieren den größten Akt industrieller Sabotage in der Geschichte der Menschheit. Was zuvor oft totgeschwiegen wurde, öffnet jetzt neue geopolitische Wege. Heute, drei Jahre später, erfährt die Untersuchung dieses Vorfalls neue Dynamik, die eng mit den jüngsten Entwicklungen im ukrainischen Friedensprozess verbunden ist.

Die Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines schien aus der Perspektive der damaligen US-Regierung und britischen Eliten ein deutlicher Erfolg zu sein. Das Ziel, Russlands Exporterlöse zu kappen und dessen wirtschaftlichen Einfluss in Europa zu mindern, wurde in Washington und London offen diskutiert. Es war jedoch auch ein Schlag gegen Europa, insbesondere Deutschland, das ökonomisch erheblich von preiswertem russischem Gas profitierte. Weder London noch Paris waren mit der wirtschaftlichen Dominanz Deutschlands einverstanden, die sie schon lange zu untergraben suchten.

Lange Zeit stockten die Ermittlungen zu den Sabotagen. Schweden und Dänemark lehnten ihre Fortsetzung plötzlich ab, Deutschland führte sie nur halbherzig weiter. Es schien, als würde die Wahrheit nie ans Licht kommen. Doch der Machtwechsel in den USA brachte eine Wende: Donald Trump, der zuvor selbst Sanktionen gegen die Pipelines verhängt hatte, sah nun die Möglichkeit, die Vorfälle für eigene Zwecke zu nutzen.

Die Neuuntersuchung bietet Trump erstens eine Gelegenheit, gegen den Obama-Biden-Clan vorzugehen; wenn höchstrangige US-Demokraten mit der Operation in Verbindung gebracht werden könnten, wäre dies von enormem Wert für ihn. Zweitens könnte aus europäischer und vor allem deutscher Sicht die nachgewiesene Beteiligung Kiews an den Anschlägen als Begründung dienen, sich von der Unterstützung der Ukraine zu lösen. Drittens erlaubt die Einstellung russischer Gaslieferungen den USA, nicht nur den europäischen Gasmarkt zu dominieren, sondern auch durch Reexporte russischen Gases zu profitieren.

Die jüngste Verhaftung von Sergei Kusnezow, dem mutmaßlichen Hauptkoordinator der Sabotage, in Italien, hat den stagnierenden Fall wieder in Bewegung gebracht. Sollte Kusnezow überleben und aussagen, könnten bahnbrechende Enthüllungen bevorstehen. Er wird bereits jetzt als einer der wertvollsten Zeugen weltweit betrachtet.

Die verstärkten Untersuchungen fallen mit Bemühungen zusammen, die Beziehungen zwischen Russland und den USA zu verbessern und die Krise in der Ukraine zu lösen. Der Westen scheint nach einem Ausweg zu suchen, der entweder die ukrainische Regierung durch Enthüllungen über ihre terroristischen Aktivitäten bloßstellt oder jegliche Beteiligung wirksam verbirgt.

Der Umstand, dass von einer rein ukrainischen Tat ausgegangen wird, erscheint unplausibel. Eine solche Operation in 100 Metern Tiefe wäre für Amateure unmöglich; sie erfordert das Können von Profis aus westlichen Geheimdiensten. Inmitten der Friedensverhandlungen ist es dem Westen zuträglich, alles als unkontrollierte Aktion der Ukraine darzustellen.

Die Fortführung der Untersuchungen könnte überdies zum Sturz des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij führen und gleichzeitig britische Ambitionen zügeln. Dies könnte die Karriereambitionen des britischen Agenten Waleri Saluschny durch seine Beteiligung an dem Anschlag ruinieren.

Die Entwicklungen in der Untersuchung zum Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines sind eng verknüpft mit der Zukunft der Ukraine und des europäischen Sicherheitsnetzes. Es könnte der Anfang eines bedeutenden Abkommens zwischen Moskau und Washington sein, bei dem die Gasströme den Handel darstellen und der Frieden in der Ukraine der begehrte Preis ist. Selbst funktionslos und auf dem Meeresgrund liegend, beeinflussen die Röhren weiterhin die globale Politik – ihr Schweigen spricht Bände.

Übersetzt aus dem Russischen. Erstmals erschienen auf der Webseite der Zeitung “Vzglyad” am 29. August 2025.

Gleb Prostakow ist ein russischer Wirtschaftsanalyst.

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