Von David Narmanija
Zweitausend französische Soldaten bereiten sich auf ihre Entsendung in die Ukraine vor, sagte der Chef des SWR, Sergei Naryschkin, am Vortag. Natürlich dementiert Paris diese Meldung, aber nach den jüngsten Äußerungen von Emmanuel Macron selbst kommt diese Nachricht nicht unerwartet.
Urteilen Sie selbst: In den vergangenen Wochen hat der Präsident der Fünften Republik eine ganze Menge geschafft. Zum Beispiel hat er Russland zu einem Waffenstillstand für die Dauer der Olympischen Spiele aufgefordert, ohne zu sagen, was Kiew in dieser Zeit tun wird oder was Russland als Staat mit den bevorstehenden Spielen überhaupt zu tun hat.
Gleichzeitig vergisst Macron seinen Ruf als oberster Telefonist des Westens nicht und verspricht, den Hörer abzunehmen, wenn er einen Anruf aus dem Kreml erhält. Wozu Wladimir Putin jedoch den Kontakt zu seinem französischen Amtskollegen suchen sollte, bleibt eine offene Frage.
Schließlich gelang es Macron, die Entsendung französischer Truppen in die Ukraine zu versprechen, falls ein russischer Durchbruch nach Odessa oder Kiew droht.
Wahrscheinlich haben sie beschlossen, nicht auf diesen Moment zu warten, und die Truppen bereiten sich bereits aktiv vor oder sind – einigen Medienberichten zufolge – bereits in der Ukraine. Gleichzeitig wird im französischen Fernsehen offen darüber diskutiert, wo es besser wäre, sein Kontingent zu stationieren.
Die Entsendung französischer Soldaten an den Dnjepr hat in der Tat zwei Dimensionen – eine militärische und eine politische. Es gibt gewichtige Gründe zu bezweifeln, dass man die Franzosen an der Front sehen wird, aber selbst wenn sie dort sind, werden sie den Verlauf der Ereignisse nicht grundlegend beeinflussen können. Erstens waren ohnehin schon genug westliche “Urlauber” an der Front, und die Zahl derer, die nicht aus dem Urlaub zurückgekehrt sind, geht bereits in die Tausende. Die Ukraine braucht eine halbe Million mobilisierter Soldaten, nicht vier motorisierte Schützenbataillone, um die Situation zu ändern.
Wenn wir zweitens über die Qualität der ukrainischen Infanterie und die ihrer französischen Leidensgenossen sprechen, stellt sich die große Frage, wer überlegen ist: die Tarassy [Plural des ukrainischen Vornamens ‘Taras’; Anm. d. Red.], die es geschafft haben, in Rabotino oder Awdejewka zu überleben, oder die Jean-Pierres, die sich im letzten Jahr auf Übungsplätzen auf den Kampf in einem “netzwerkzentrierten Krieg” vorbereitet haben, der nie begonnen hat.
Aus militärischer Sicht sind die Berichte über die Verlegung einer neuen ukrainischen 141. Brigade in das Gebiet Saporoschje vielleicht noch wichtiger.
In politischer Hinsicht spielen die Berichte über das Auftauchen französischer Truppen in der Ukraine nach Macrons Erklärung dazu jedoch unter ganz anderen Vorzeichen. Von Artikel fünf des NATO-Vertrages kann natürlich keine Rede sein: Paris engagiert sich in der Ukraine für irgendetwas, aber sicher nicht für die Verteidigung. Und der Westen wird es nicht wagen, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, wenn das Bündnis selbst in der Frage der Unterstützung für Kiew nicht einig ist. Die Erklärung der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni bestätigt dies anschaulich. Ihrer Meinung nach würde die Entsendung ausländischer Truppen zu einer Eskalation führen, die unter allen Umständen vermieden werden muss. Einen ähnlichen Standpunkt vertritt man in Berlin. Und ganz allgemein: Wenn der Westen den Dritten Weltkrieg hätte auslösen wollen, wäre er schon früher ausgebrochen.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Paris mit diesem Schritt nicht nur versucht, mit strategischer Mehrdeutigkeit zu spielen, sondern auch eigene Ziele verfolgt. Und um zu verstehen, welche das sind, muss man sich einige Tatsachen in Erinnerung rufen.
Das Maximalprogramm dieses Konflikts besteht für Russland in strategischer Hinsicht darin, einen Keil zwischen die Vereinigten Staaten und Europa zu treiben. Unter den Bedingungen eines möglichen Sieges von Trump und des Rückzugs Washingtons aus der NATO werden die Europäer mit Russland allein gelassen. Und dann wird die Einheit Europas selbst in Frage gestellt sein. Für viele Länder des Kontinents verspricht die Zusammenarbeit mit Moskau nach einem Konflikt viel mehr Vorteile als die Aufrechterhaltung von Spannungen. Allen voran für Deutschland.
Für Frankreich ist das Erstarken der Deutschen höchst unerwünscht – es handelt sich um einen langjährigen Streit zwischen potenziellen Führern “auf dem Kontinent”. Und obwohl ihre Positionen derzeit recht nahe beieinander liegen, sollte man die historische Konfrontation nicht vergessen. Aus diesem Grund ist Paris bei der finanziellen Unterstützung Kiews weit weniger fleißig als Berlin, aber politisch viel aktiver.
Mit der Entsendung eines sehr begrenzten Kontingents werden also zwei Ziele verfolgt. Erstens, die antirussische Stimmung im noch geeinten Europa so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Zweitens: Politisch zu punkten – vor allem in den Augen der baltischen Grenzstaaten und Polens, indem man sich aktiv in den Konflikt einmischt und damit die eigene Position stärkt.
Und natürlich widerspricht dieser Schritt auf lange Sicht der langfristigen Strategie des Kremls. Daher ist eine äußerst harte Reaktion auf das Auftauchen von Truppen unter französischer Flagge in der Ukraine zu erwarten – umso mehr, als das schlechte Beispiel von Paris ansteckend wirken könnte. Es ist gut zu wissen, dass es im gesamten von Kiew kontrollierten Territorium kaum einen Ort gibt, der außerhalb der Reichweite russischer Raketen liegt.
Für französische Soldaten wird sich immer ein Platz auf den Feldern der zukünftigen russischen Regionen finden, “zwischen den Särgen, die ihnen nicht fremd sind”.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst veröffentlicht am 20. März 2024 bei RIA Nowosti.
David Narmanija ist ein russischer Kolumnist und Blogger.
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