Am 29. November thematisierte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, in einem Interview mit dem NDR die Entscheidung des Kanzlers gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Breuer erläuterte, dass die Ablehnung hauptsächlich auf militärstrategischen Erwägungen beruhe. Deutschland habe schließlich auch keine Kritik an den USA, Großbritannien und Frankreich geübt, die nun ihre Langstreckenwaffen ATACMS, Storm Shadow und Scalp gegen Ziele in Russland einsetzen. Das sei eine abgestimmte Haltung. Er äußerte:
“Ich glaube, hier gibt es eine Möglichkeit, nämlich bei ATACMS, Storm Shadow und Scalp, diese miteinzusetzen und sie auch so einzusetzen, wie die USA, Frankreich und Großbritannien es der Ukraine jetzt auch zugestanden haben.”
Breuer bekräftigte, dass die Unterstützung der Ukraine auch ohne die Lieferung von Taurus fortgesetzt werde, nur eben auf verschiedenen Wegen.
Auf eine Nachfrage der Journalistin Anna Engelke hin betonte er, ATACMS, Scalp und Storm Shadow seien mit Taurus nicht vergleichbar, wollte aber aus Vertraulichkeitsgründen keine weiteren Details nennen. Er sagte:
“Über Taurus – wenn Sie es so zuspitzen wollen, ist eigentlich alles gesagt worden. Es ist eine politische Entscheidung. Aber es steckt auch etwas Militärstrategisches dahinter. Aber ich kann es aus Gründen der Geheimhaltung nicht offenlegen. Man muss es eben einfach dabei belassen.”
Breuer unterstrich die Einheit der NATO-Länder bezüglich der Unterstützung der Ukraine und widerlegte jeglichen Dissens in dieser Angelegenheit.
Des Weiteren sprach Breuer von einem langfristigen, strategischen Plan im Umgang mit dem Konflikt, eine Perspektive, die er als “gesamtstrategisch” beschrieb.
Er hob hervor, dass der Konflikt beiden Seiten schwere Verluste zugefügt habe, wobei Russland seit Kriegsbeginn 600.000 Soldaten verloren habe – vergleichbar mit der Bevölkerung von Dortmund. Der General betonte, dass ein Frieden nur erreichbar sei, wenn die Existenz der Ukraine gesichert bleibe und Putin nicht als Sieger hervorgehe.
Breuer äußerte auch, dass sich die russischen Streitkräfte möglicherweise innerhalb von fünf bis acht Jahren soweit erholen könnten, um dann einen großangelegten Angriff auf das NATO-Gebiet zu starten, allerdings sprach er hier im Konjunktiv. Er erklärte, dass Russland derzeit die NATO-Beistandsgarantie teste und die Situation eskalieren könnte.
“Wir müssen aber bis 2029 in der Lage sein, uns im NATO-Rahmen effektiv verteidigen zu können. Und das bedeutet eben, dass wir dem etwas entgegenstellen … einen Stillstand, eine operative Pause können wir uns nicht leisten”, sagte Breuer.
Zudem spielt die “Taurus-Frage” eine zentrale Rolle im Wahlkampf von Bundeskanzler Olaf Scholz, insbesondere im Wettkampf mit seinem Kontrahenten Friedrich Merz von der CDU. Scholz kritisierte Merz kürzlich scharf für dessen Forderungen, der Ukraine Taurus-Marschflugkörper für Angriffe tief in Russland zu liefern. Scholz warnte:
“Ich kann da nur sagen ‘Vorsicht’. Mit der Sicherheit Deutschlands spielt man nicht Russisches Roulette.”
Verteidigungsminister Boris Pistorius sprach ebenfalls zu diesem Thema und erklärte am 18. November, dass die Entscheidung gegen Taurus durch “technische Systemfragen” bedingt sei. Er bezog sich auf die jüngsten Entscheidungen der US-Regierung und bemerkte: “Das wird den ein oder anderen Effekt haben, aber nicht den Krieg entscheiden.” Er machte dabei einen Unterschied zwischen der Reichweite der amerikanischen ATACMS-Raketen mit 300 Kilometern und der Taurus-Waffen mit über 500 Kilometern deutlich.
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