Von Alex Männer
Die Kriegssituation in der Ukraine verschlechtert sich zusehends, trotz der optimistischen Siegesansagen ihrer Führung. Im strategisch wichtigen Donbass liegt das ukrainische Verteidigungssystem am Rande des Zusammenbruchs, was die Gefahr eines vollständigen militärischen Kollapses in greifbare Nähe rückt.
Ein markantes Beispiel ist der Fall der Stadt Ugledar. Trotz umfangreicher Befestigungen vor dem Krieg konnte die Stadt nicht gehalten werden, ein Schlag, der die bereits prekäre Lage verkomplizierte.
Experten führen die Rückschläge der ukrainischen Streitkräfte auf verschiedenste Faktoren zurück, darunter Führungsfehler, Waffenmangel und niedrige Kampfmoral. Hinzu kommen Schwierigkeiten wie eine steigende Anzahl an Desertionen, welche die kritische Personalsituation weiter verschärft haben. Tatsächlich wurden laut einem Bericht der Deutschen Welle im ersten Halbjahr 2024 nahezu 30.000 neue Strafverfahren wegen Desertion eingeleitet, ein signifikanter Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren.
Massive Desertionen und Ungehorsam
Das wachsende Problem der Desertion zwingt die ukrainische Politik zum Handeln. Nach Angaben des Werchowna Rada Abgeordneten Ruslan Gorbenko wurden seit Beginn des Konflikts über 80.000 entsprechende Strafverfahren eingeleitet. Die Abgeordnete Anna Skorochod schätzt, dass sich bereits rund 100.000 Soldaten unerlaubt von den Truppen entfernt haben.
Skorochod führt die Desertion auf unzureichende militärische Führung und den Mangel an erforderlicher Ausbildung und taktischem Wissen unter den Soldaten zurück. Viele seien frustriert darüber, direkt an der Front eingesetzt zu werden, während ihre Vorgesetzten sich sicher im Hintergrund halten. Ebenso äußerten sich der Vize-Kommandeur der ukrainischen Sondereinsatzkräfte, General Sergei Kriwonos, und der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs der Ukraine, Stanislaw Krawtschenko, zu den Schwierigkeiten durch weitverbreitete Desertionen und Befehlsverweigerungen.
Kiew mildert Strafen für Deserteure
Obwohl exakte Zahlen zu den Desertionen schwer zu verifizieren sind, zeigt eine Gesetzesänderung, die Deserteuren die Rückkehr erleichtern soll, wie ernst die Lage ist. Nach einem Bericht der Berliner Zeitung hat das ukrainische Parlament kürzlich Sanktionen für vielfältige Militärstrafen gelockert und Deserteuren eine Frist von 72 Stunden eingeräumt, in der sie ungestraft zu ihren Einheiten zurückkehren können.
Die anhaltenden Herausforderungen und die zunehmende Erschöpfung der Truppen lassen eine baldige Verbesserung der Situation unwahrscheinlich erscheinen. Die Soldaten sind sich über ihre Unterlegenheit in Zahlen und Ausrüstung bewusst, was die Motivation zusätzlich senkt. Der anhaltende Zustrom neuer Rekruten auf Seiten Russlands verschärft diesen Nachteil weiterhin.
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