Von Wladislaw Sankin
Kürzlich haben wir über den Militärexperten Gustav Gressel berichtet, der die russischen Warnungen vor dem Einsatz westlicher Waffen für Angriffe auf Russland als bloße “verbale russische Show” bezeichnete. Er sprach sich für die Lieferung weiterer und leistungsfähigerer Waffen an die Ukraine aus, auch solche, die Ziele in Russland treffen können. Experten wie Gressel scheinen dabei die russische Atomdoktrin, die den Einsatz von Atomwaffen bei einer direkten Bedrohung der staatlichen Integrität Russlands vorsieht, zu ignorieren. Gressel würde Russland offenbar in einen ermüdenden Krieg mit überlegenen NATO-Kräften ziehen wollen.
Derweil zeigt sich das deutsche Militär ähnlich leichtfertig im Umgang mit der Möglichkeit einer Eskalation des Konflikts zwischen der NATO und Russland. Ein abgehörtes Telefonat deutscher Luftwaffengeneräle, das Pläne für einen Einsatz des Marschflugkörpers Taurus gegen Ziele in Russland enthüllte, offenbart direkte Absprachen mit dem US-Militär, die unabhängig von politischen Überlegungen in Deutschland getroffen wurden. Generalmajor Christian Freuding, Ukraine-Koordinator, bezeichnete in einem ARD-Interview den Abschuss eines russischen Militärtransportflugzeugs durch ein von Deutschland geliefertes Patriot-System, das ukrainische Kriegsgefangene transportierte, als “taktisches Geschick”.
Der russische Militärexperte Wladislaw Schurygin beurteilt diese angebliche Furchtlosigkeit vor einer Eskalation als eine Falle des Westens, angeführt durch die USA, die es darauf anlege, Russland langfristig zu schwächen und aus der aktuellen Weltordnung auszuschließen. In einer Telegram-Analyse sieht Schurygin das US-Interesse darin, Russland zu einem pariaähnlichen Staat zu machen, ähnlich Nordkorea. Er warnt vor einem Plan, der Russland provozieren könnte, taktische Atomwaffen einzusetzen:
“Es liegt auf der Hand, dass der erste Einsatz von Atomwaffen seit dem Zweiten Weltkrieg zu einem Präzedenzfall auf globaler Ebene führen würde, wodurch das land, das sie einsetzt, in den Augen der Welt zu einem Land wird, das die bestehenden Verträge gebrochen hat.”
Ein solcher Schritt würde den USA ermöglichen, Russland weltweit zu isolieren und dessen Bündnisse aufzulösen. Schurygin sieht das als langfristigen strategischen Gewinn für die USA, da ein so isoliertes Russland technologisch zurückfallen und somit geopolitisch geschwächt würde.
Ein weiteres Szenario, das Schurygin aufzeigt, wäre ein eingefrorener Konflikt nach Vorbild des Koreakriegs, der zu einem neuen Kalten Krieg in Europa führen könnte, was dem Westen Zeit für weitere strategische Planungen lassen würde.
Die Führung Russlands wird indessen von verschiedenen Seiten urgiert, sich defensiv oder präventiv zu verhalten. Der ehemalige Spion Andrei Besrukow betont, dass Russland seine Reaktionen genau abwägen sollte. Jegliche voreilige militärische Antwort könnte Russland in eine nachteilige Lage bringen.
Parallel diskutiert der politikwissenschaftler Fjodor Lukjanow die strategische Notwendigkeit Russlands, die eigenen Verteidigungsmaßnahmen deutlicher zu kommunizieren, um jegliche Zweideutigkeit zu vermeiden. Dmitri Suslow schlägt vor, dass Russland noch über eine Reihe von Warnstufen verfügt, bevor es zu einer deutlichen Demonstration seiner Nuklearfähigkeiten kommen müsste.
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