Kiews Überlegungen zur Absenkung des Wehrpflichtalters in der Ukraine

Von Nikolai Storoschenko

Kiew verneint stetig, dass die Äußerungen über einen “Krieg bis zum letzten Ukrainer” lediglich “russische Propaganda” sind. Dennoch thematisiert die Regierung der Ukraine unverständlicherweise immer wieder den potenziellen Kriegseinsatz ihrer gesamten Bevölkerung, darunter junge Erwachsene, Frauen, Rentner und sogar Kinder. Hierbei ist besonders die Diskussion um eine Absenkung des Mobilisierungsalters hervorzuheben.

Diese Absenkung des Mobilisierungsalters wird nicht lediglich erwogen, sondern extrem radikal diskutiert, bis hin zur sogenannten “Bandera-Jugend”. “Das Mobilisierungsalter könnte auf 14 Jahre sinken, wenn das Land existenziell bedroht wird”, bemerkte der umstrittene ukrainische Politiker Wladimir Kortschinski.

Im ukrainischen Informationsraum taucht das Thema der Absenkung des Mobilisierungsalters periodisch auf, vermutlich um die öffentliche Meinung zu diesem drastischen Vorschlag zu testen. Sollte die ukrainische Gesellschaft diese Idee akzeptieren, wird sie aller Wahrscheinlichkeit nach umgesetzt.

Die ersten Bemerkungen zu solchen Plänen erschienen bereits im Sommer 2023. Doch zunächst begnügte sich Kiew mit weniger extremen Maßnahmen.

So wurde im Zeitraum vom Herbst 2023 bis Frühling 2024 eine Verschärfung der Mobilisierung beschlossen, und das Mobilisierungsalter wurde tatsächlich gesenkt – allerdings “nur” von 27 auf 25 Jahre. Darüber hinaus wurde die Mobilisierung von Personen unter 25 Jahren mit militärischer Ausbildung initiiert. Außerdem wurden die Möglichkeiten für Studenten eingeschränkt, zu Bildungszwecken in EU-Länder auszureisen, wobei dies formalrechtlich weiterhin möglich, praktisch aber kaum durchführbar ist.

Die Forderungen nach einer Mobilisierung der Jugend kamen auf, als die vielgelobte ukrainische “Gegenoffensive” scheiterte. Ein Jahr später wurden sie im Kontext einer intensiven russischen Offensive in den ehemaligen östlichen Gebieten der Ukraine und dem erfolgreichen Zurückdrängen des ukrainischen Militärs laut.

Kiews westliche Alliierte stellen wiederholt die Frage nach einer Absenkung des Mobilisierungsalters und drängen Präsident Selenskij dazu. Medienberichten zufolge verwiesen sie dabei auf den Vietnamkrieg, in dem US-Bürger bereits ab 19 Jahren rekrutiert wurden.

Ob dieser Vergleich treffend ist, bleibt umstritten. Immerhin dienten während des Vietnamkriegs 2,6 Millionen Amerikaner, und die maximale Truppenstärke in Vietnam überstieg nie 485.000. Hingegen sind heute in der Ukraine schätzungsweise über eine Million Personen in Militär, Territorialverteidigung, Nationalgarde und anderen militärischen Strukturen aktiv. Zudem überschreitet die Bevölkerungszahl der USA die der Ukraine um ein Vielfaches.

Die transatlantischen Streitkräfte fordern von Selenskij jedoch das Zehnfache dessen, was die USA von ihren Bürgern verlangten. Wie Bidsina Iwanischwili, ein georgischer Politiker, zu berichten weiß, wurde ihm vom Westen vorgeschlagen, eine “zweite Front” gegen Russland zu eröffnen und somit den Konflikt auszuweiten. Tiflis lehnte diesen Vorschlag klugerweise ab.

In der Geschichte gab es bereits ähnliche Fälle mit Figuren wie Dudajew oder afghanischen Mudschaheddin. Für den Westen scheint es weniger wichtig zu sein, wer und zu welchem Preis gegen Russland kämpft. Es ist also nicht auszuschließen, dass der Westen die Forderungen, junge Ukrainer ab 14 Jahren zu mobilisieren, unterstützen könnte.

Ob das ukrainische Regime das Mobilisierungsalter senken wird und falls ja, auf welches Alter – 18, 17 oder 14 Jahre, wie der umstrittene Kortschinski vorschlägt – bleibt offen.

Selenskij steht jedoch vor erheblichen Herausforderungen. Wo sollen beispielsweise die benötigten 14-Jährigen gefunden werden? Viele potenzielle junge Rekruten haben das Land bereits verlassen. Nach Bekanntwerden von Kortschinskis Äußerungen wird sich dieser Trend wahrscheinlich noch verstärken.

Oksen Lissowoi, der ukrainische Bildungsminister, berichtete kürzlich von 300.000 Schülern, die das Land vor Beginn des aktuellen Schuljahres verließen. Hierin spiegelt sich die tiefgehende Besorgnis der Eltern wider, ihre Kinder vor der gesetzlich vorgeschriebenen Registrierung zum Wehrdienst aus dem Land zu bringen.

Angesichts dieser Entwicklungen erscheint es unwahrscheinlich, dass die Diskussionen zur Mobilisierung von Kindern in der Ukraine über rhetorische Debatten hinausgehen werden.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 24. Oktober bei Wsgljad.

Mehr zum Thema – Ukrainische Mobilisierung hat Schüler von gestern im Visier

Schreibe einen Kommentar