Bundeswehr und Wehrmacht: Neue Traditionspflege und alte Kontroversen

Von Wladislaw Sankin 

Vor kurzem las ich in russischen Telegram-Kanälen, dass angeblich Offiziere der Wehrmacht von der Bundeswehr als vorbildliche, tapfere Krieger in ihre Traditionspflege aufgenommen worden seien. Zunächst hielt ich diese Information für ausgeschlossen und grotesk. Doch bei einer späteren Online-Recherche stieß ich auf einen seriösen Artikel mit einem entsprechenden Zitat von Sacharowa, welches dieses Vorgehen bestätigte. Ein verlinktes internes Dokument des Verteidigungsministeriums untermauerte diese Information eindrucksvoll, was mich sehr überraschte.

Ein elfseitiges Dokument mit dem Titel “Weisung zur Herausgabe der ergänzenden Hinweise zu den Richtlinien zum Traditionsverständnis der Bundeswehr” war am 12. Juli von Generalleutnant Kai Rohrschneider versendet worden. Veröffentlicht wurde es von der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz – offiziell gekennzeichnet mit dem Bundesadler. Besonders interessant in der Weisung ist die Liste der Wehrmachtsoffiziere, die nun Teil der Bundeswehr-Tradition werden sollen.

General Rohrschneider erklärt ausführlich, weshalb Angehörige der Wehrmacht Teil der Bundeswehr-Tradition sein sollen. Er verweist dabei auf die aktuellen geopolitischen Ereignisse, darunter der Konflikt in der Ukraine, und betont die gestiegene Relevanz von Einsatzbereitschaft und Kampfstärke. Die historische Verbindung zur Wehrmacht wird durch 40.000 ehemalige Soldaten hergestellt, die in die Bundeswehr integriert wurden und militärische Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg mitbrachten.

“Mit Bezug zur aktuellen Zeitenwende kommt der Gründungsgeneration der Bundeswehr eine bedeutende Rolle für traditionsstiftende militärische Exzellenz zu. Die rund 40.000 von der Wehrmacht übernommenen Soldaten hatten sich großteils bewährt und waren für den Aufbau der Bundeswehr unentbehrlich.”

Ferner wird klargestellt, dass nachahmenswerte Wehrmachtssoldaten nicht nur dem militärischen Widerstand angehörten. Persönliche Schuld, die zumindest erwähnt wird, könnte durch ihr Engagement beim Aufbau der neuen Streitkräfte aufgewogen sein.

Eine Liste nach wissenschaftlich begründeten Kriterien soll Beispiele für militärische Exzellenz darstellen. Diese beinhaltet hochdekorierte Offiziere, darunter auch solche der Luftwaffe, deren Rolle im Genozid betont wird. Auch Mitglieder der NSDAP und SS finden sich darin, geehrt nicht nur für ihre militärischen Tugenden, sondern auch für die Resultate ihrer Taten an der Ostfront. Über die Verbrechen dieser Figuren schweigt Rohrschneider allerdings, und behauptet, ihre Schuld sei durch ihr NATO-Engagement ausgeglichen.

Sacharowa: “Die Welt muss aufwachen”

Angesichts dieser Entwicklungen äußerte sich die russische Diplomatin Maria Sacharowa alarmiert und zitierte Heinrich Böll zur Illustration der problematischen Rehabilitation ehemaliger Nazis in Deutschland:

“Regimentsnummern weiß ich, Feldpostnummern, Dienstgrade: Oberleutnant, Major, Oberstleutnant Fähmel, und als letzten Schlag wieder Ziffern, ein Datum, gefallen 12. 1. 42. Ich sah es mit eigenen Augen, wie er die Leute auf der Straße niederschlug, weil sie die Fahnen nicht grüßten; er erhob seine Hände und schlug sie, hätte auch mich geschlagen, wenn ich nicht rasch in die Krämerzeile eingebogen wäre; wie kam er in unser Haus?”

“Ehemalige Nazis sind wieder einmal zu Deutschlands ‘Helden’ geworden”, kritisierte Sacharowa und forderte die Welt auf, dies zur Kenntnis zu nehmen:

“Wir müssen die Alarmglocken läuten lassen, damit der Planet aufwacht.”

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