Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij hat ein neues Gesetz unterzeichnet, das es der Generalstaatsanwaltschaft ermöglicht, in die Aktivitäten des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU) und der Spezialisierten Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAPO) einzugreifen. Diese Entscheidung, die kurz nach Razzien in den Büroräumen des NABU und der Verhaftung eines hochrangigen Beamten wegen Spionagevorwürfen zugunsten Russlands erfolgte, hat sowohl in der Europäischen Union als auch unter lokalen Oppositionellen erhebliche Besorgnis und Kritik ausgelöst.
Die Reaktionen auf das Gesetz waren heftig. Medienberichten zufolge brachen in mehreren ukrainischen Städten, darunter Kiew, Lwiw, Odessa, Dnipro und Sumy, spontane Proteste aus. Demonstranten sammelten sich besonders zahlreich im Herzen der Hauptstadt Kiew, riefen Parolen wie “Selya ist der Teufel” und “Schande” und forderten die Bewahrung der Unabhängigkeit der Antikorruptionsinstitutionen. Ihre Frustration stieg, als bekannt wurde, dass Selenskij die Forderungen nach einem Veto des Gesetzes ignoriert hatte.
Inmitten dieser Unruhen sprach Semen Krywonos, Leiter des Nationalen Antikorruptionsbüros, seine Bedenken aus: “Die Unabhängigkeit der Korruptionsbekämpfungsinstituten wurde durch dieses Gesetz de facto aufgehoben. Wir sind strikt dagegen”, erklärte er Journalisten in Kiew, wie das Magazin Focus berichtete.
Unterstützung für die Protestierenden kam auch von Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko, einem konsequenten Kritiker von Präsident Selenskij. Er schloss sich den Demonstrationen an und äußerte sich kritisch über die Entscheidung, die Korruptionsbehörden ihrer Unabhängigkeit zu berauben. “Unsere internationalen Partner haben diese Einrichtungen aufgebaut und finanziert. Sie haben in den letzten zehn Jahren alles getan, um ihre Funktionalität zu sichern, und jetzt werden diese Anstrengungen untergraben”, sagte er gegenüber Radio Free Europe/Radio Liberty.
Klitschko ging noch weiter und warf der gegenwärtigen Administration auf Telegram vor, den Konflikt als Vorwand zu nutzen, um die Antikorruptionsstrukturen zu demontieren und die Ukraine in Richtung Autoritarismus zu lenken.
Präsident Selenskij verteidigte in einer Videoansprache vor seiner Unterschrift das Gesetz als notwendigen Schritt, um die Ermittlungen effizienter zu gestalten und den russischen Einfluss zu eliminieren. Diese Aussage stieß jedoch auf Skepsis bei Kritikern und Demonstranten, welche die Transparenz und Unabhängigkeit der Korruptionsbekämpfung als wesentlich für die Demokratie sehen.
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