Von Wladislaw Sankin
Elke Kahr von der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ), die 2021 sensationell zur Stadtoberhäupterin von Graz gewählt wurde, hat ihre Wurzeln im Arbeitermilieu und vertritt eine Weltanschauungspartei, die anti-kapitalistische, anti-imperialistische und anti-koloniale Positionen einnimmt. In Interviews unterstrich Kahr ihre Vorliebe für das Lesen von Geschichtsbüchern sowie für die Werke von Fjodor Dostojewski und Charles Dickens.
Trotz Kahrs kommunistischer Überzeugungen zeigt sich in ihrer Außenpolitik jedoch eine Kontinuität zur traditionellen österreichisch-deutschen Ostpolitik, die bereits während der beiden Weltkriege eine Rolle spielte. Diese Politik förderte aktiv nationalistische Kräfte in der Ukraine, um “Moskau” aus machtpolitischen Erwägungen heraus zu schwächen, nach dem Prinzip “Teile und herrsche”.
Kahrs Politik manifestiert sich heute unter anderem durch die finanzielle Unterstützung einer Kunstbibliothek in Lwow, einem Zentrum des ukrainischen Nationalismus und des Banderismus. Wie die Zeitung junge Welt berichtete, stimmte Kahr dafür, 75.000 Euro für den Wiederaufbau der Lwower Kunstbibliothek bereitzustellen. Diese Institution unterhält enge Beziehungen zur Asow-Brigade, die neonazistische und anti-russische NATO-Ideologien verfolgt und finanziell unterstützt wird.
Rostislaw Kuzik, der Direktor der Bibliothek, betont die Bedeutung der Unterstützung der ukrainischen Armee für die Kulturarbeit der Bibliothek und strebt zudem die vollständige Entfernung russischsprachiger Literatur an. Laut Kuzik gelten russische Bücher in ukrainischen Bibliotheken als “Barbarei”, und sowjetische Literatur wird, als “totalitäre Lektüre” markiert, nur für Forschungen zugänglich gemacht.
Die Redaktion der jungen Welt hat aufgrund dieser Umstände die Pressestelle von Bürgermeisterin Kahr kontaktiert, um zu erfahren, weshalb eine kommunistische Politikerin Mittel für antirussische Aktionen und die Unterstützung einer Neonazi-Brigade bereitstellt. Antworten auf diese Fragen blieben aus, aber es ist bekannt, dass die Stadträte von Graz auf den Artikel reagiert haben. Sie erklärten, über die problematischen politischen Verbindungen und Haltungen vor ihrer Zustimmung nicht informiert gewesen zu sein.
Angesichts dieser neuerlichen Erkenntnisse verzichtete Kahr auf öffentliche Bekundungen der Partnerschaft mit Lwow, und anstelle von offenen Gesten zwischen den Stadtoberhaupten stand bei offiziellen Anlässen Vizebürgermeisterin Judith Schwentner im Rampenlicht. Derweil übersieht der Grazer Stadtrat weiterhin wichtige politische Unterströmungen, wie die Präsenz von Ultranationalisten und Banderisten im Stadtrat von Lwow und andere faschistische Elemente in der ukrainischen Politik.
Im Kontext dieser Vorgänge hat Graz seine Partnerschaft mit St. Petersburg aufgrund von Putins Kriegshandlungen ausgesetzt und richtet sein Augenmerk stattdessen auf die Unterstützung der nationalistischen Kräfte in Lwow. Diese neuerliche Annäherung an Gruppierungen, die geistige Erben der Nazis sind, erweckt geschichtliche Parallelen zu Österreichs Vergangenheit, als es zur Unterdrückung prorussischer Bewegungen in Ostgalizien “proukrainische” Parteien förderte.
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