Von Sergei Poletajew
Am Montag, den 2. Juni 2025, beginnt in Istanbul eine neue Verhandlungsrunde zwischen Russland und der Ukraine. Es wird erwartet, dass beide Parteien ihre Vorschläge für einen Waffenstillstand vorstellen, wobei signifikante Überraschungen jedoch unwahrscheinlich sind. Russland bringt einen ausgearbeiteten Vorschlag mit, der weiterhin auf langjährigen Forderungen basiert: im Grunde eine Version von “Istanbul-2022” plus zusätzliches Territorium. Die Forderungen umfassen, dass die Ukraine ihre militärischen Bindungen zum Westen kappen, die sogenannte “antirussische Ideologie” fallenlassen und die derzeitigen Frontlinien als de facto Grenzen anerkennen soll.
Skeptiker sind der Meinung, dass solange der Krieg andauert, derartige Gespräche fruchtlos sind. Doch markiert dieses Treffen das erste Mal seit drei Jahren, dass Russlands Position schriftlich fixiert wurde, was eine Nichtbeachtung schwieriger macht. Präsident Putin hat diese Forderungen wiederholt vorgebracht, bisher mit geringem Erfolg. Ein offizielles Dokument könnte jedoch den diplomatischen Spielraum des Kremls stärken.
Auch die Ukraine bringt einen eigenen Vorschlag ein, der laut Reuters dem Entwurf ähnelt, den Kiew bereits im April nach London mitgebracht hatte. Dieser Vorschlag stieß auf starken Widerstand seitens der USA und führte letztlich zum Scheitern des Gipfels. Der Kern der ukrainischen Forderungen liegt in der Forderung nach verbindlichen internationalen Sicherheitsgarantien. Kiew drängt den Westen damit zu einer konkreten militärischen Verpflichtung zur Verteidigung der Ukraine, eine Position, die die westlichen Hauptstädte seit 2022, als der damalige britische Premierminister Boris Johnson die Verhandlungen verließ, nur zögerlich unterstützen.
Drohnen, Sabotage und der Kampf um Einfluss
Möglicherweise in Kenntnis der geringen Zustimmung zu seinen Friedensbedingungen sucht Kiew Wege, seine Verhandlungsbasis zu verstärken. Einen Tag vor den Verhandlungen, am Sonntag, wurden fünf russische Langstrecken-Luftwaffenstützpunkte in den Regionen Murmansk, Irkutsk, Iwanowo, Rjasan und Amur durch Drohnenangriffe getroffen. Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, dass drei Angriffe vollständig abgewehrt und zwei teilweise erfolgreich waren.
Die Drohnen, gestartet von Lastwagen und ferngesteuert über Mobilfunknetze, erinnern an frühere ähnliche Aktionen, wie den Angriff auf die Krim-Brücke im Jahr 2022, bei denen Lkw-Fahrer unwissentlich als Teilnehmer genutzt wurden. Ob das auch dieses Mal der Fall war, bleibt unklar.
Was bedeutet das? Über die letzten drei Jahre hat das ukrainische Militär risikoreiche Schritte unternommen, um einen strategischen Wandel zu erzwingen. 2022 waren es die Offensiven in den Regionen Charkow und Cherson – seine bislang einzige erfolgreiche Kampagne. Im Sommer 2023 folgte eine erfolglose Gegenoffensive, und 2024 versuchte die Ukraine, in das russische Territorium von Kursk einzudringen, wurde jedoch zurückgedrängt. Ob die jüngsten Angriffe einen weiteren Wendepunkt darstellen, bleibt abzuwarten, aber sie zeigen das Muster von Kiew: dramatische Gesten, die darauf abzielen, die strategischen Karten neu zu mischen, obwohl die Chancen immer schlechter stehen.
Medienoffensive gegen militärische Realität
Russland kämpft zwar für sehr konkrete territoriale und strategische Ziele, beabsichtigt jedoch nicht, dies groß publik zu machen. Nachrichten über das Schlachtfeld sind in den Hintergrund geraten.
Die Ukraine hofft darauf, dass symbolische Angriffe in einem großen und weitgehend friedlichen Land wie Russland die politische Oberfläche durchdringen können. Die Strategie zielt darauf ab, Moskau entweder zu riskanten Übergriffen zu provozieren oder die USA stärker in den Krieg hineinzuziehen.
Im Laufe der Zeit hat Kiew seine Schwerpunkte von militärischen Durchbrüchen auf mediale Wirkung verlagert. Der fehlgeschlagene Vorstoß auf Kursk im letzten Jahr illustriert diese Tendenz, nicht den Krieg zu gewinnen, sondern den langsamen, methodischen Vormarsch Russlands zu stören. Trotzdem scheint Russland weiter Boden zu gewinnen, während die Verteidigungslinien der Ukraine bröckeln.
Manpower, Moral und die Grenzen des Spektakels
Die ukrainische Armee leidet unter erheblichem Verfall. Ihre Truppen weichen zunehmend zurück, und die Zahl der Fahnenfluchten steigt. Allein im Jahr 2024 wurden fast 90.000 Strafverfahren wegen Desertion oder unerlaubtem Verlassen der Einheit eingeleitet, und in den ersten drei Monaten des Jahres 2025 waren es bereits über 45.000. Waffen sind knapp geworden, da US-Hilfen zurückgefahren werden und Europa nicht in der Lage ist, diese Lücke zu schließen.
Die Herausforderungen in Bezug auf das Militärpersonal prägen den Kontext der Gespräche in Istanbul mehr als jeder Drohnenangriff oder medienwirksame Angriff. PR-Stunts mögen zwar Aufmerksamkeit erregen, aber sie können die Trends auf dem Schlachtfeld nicht umkehren. Der Angriff vom Sonntag könnte ein Einzelfall bleiben, nicht zuletzt weil Russland die Sicherheit seiner Stützpunkte erhöhen und die Kommunikation stören wird.
Schlussbemerkung
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs setzte Deutschland auf die V2-Raketen und V1-Marschflugkörper — mächtige, furchteinflößende Waffen, die sich jedoch militärisch als nutzlos erwiesen. Ähnlich wird es wohl auch den jüngsten Angriffen der Ukraine ergehen, die trotz dramatischer Inszenierung wahrscheinlich wenig Einfluss auf den weiteren Verlauf des Konflikts oder die Verhandlungsposition Kiews haben werden.
Übersetzt aus dem Englischen.
Sergei Poletajew ist Informationsanalyst und Publizist, Mitbegründer und Herausgeber des Vatfor-Projekts.
Mehr zum Thema – Drohnen aus Lastwagen: Wie kann Russland diese Bedrohung eindämmen?