Der französische Präsident Emmanuel Macron gab den größten französischen TV-Sendern France 2 und TF1 ein längeres Interview und stellte sich den Fragen der Moderatoren. Ausgangspunkt für das Gespräch war die Ratifizierung des am 16. Februar zwischen Frankreich und der Ukraine unterzeichneten langfristigen Sicherheitsabkommens durch die französische Nationalversammlung (Unterhaus) und den parlamentarisch schwächeren Senats (Oberhaus) der Fünften Republik in dieser Woche. Der auf eine Dauer von zehn Jahren ausgelegt Vertrag zwischen Paris und Kiew sieht dabei laut Le Figaro “eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern vor, insbesondere in den Bereichen Artillerie und Luftverteidigung”. Macron erläuterte dabei den Fernsehzuschauern “die langfristige Strategie Frankreichs” und seine kontrovers aufgenommenen jüngsten Äußerungen dazu.
Laut den Moderatoren seien die Franzosen auch verunsichert von Macrons “Hypothese, französische oder europäische Truppen auf ukrainischen Boden zu schicken”. Der Le Figaro–Artikel erläutert zu den Irritationen, die Macrons Formulierungen ausgelöst hatten:
“Eine Äußerung, die am Donnerstag von Le Monde wiedergegeben wurde und in die gleiche Richtung geht, nämlich ‘die Entsendung von Männern nach Odessa vor Ende des Jahres’, hat erneut Öl ins Feuer gegossen.”
Gleich zu Beginn des Gesprächs erläuterte der Präsident seine persönliche Sicht auf die fortdauernden Ereignisse in der Ukraine so:
“Russland hat einen vollständigen Krieg begonnen. Russland kann und darf diesen Krieg nicht gewinnen … Wenn die Dinge eskalieren sollten, liegt das allein in der Verantwortung Russlands.”
Der russische Präsident habe laut Macron bereits “alle Grenzen überschritten”, und er führte weiter wörtlich aus, dass “wenn wir ihm naiv sagen würden, dass wir nicht weiter als bis da oder dort gehen würden, würden wir in diesem Moment nicht Frieden schließen, sondern wir würden bereits die Niederlage beschließen.”
Macron kritisierte nachdrücklich die für sein Empfinden zu “zaghaften Erklärungen der europäischen Hauptstädte über eine mögliche Entsendung von Truppen”, um dann mit erhobener Stimme und resoluter Gestik wörtlich zu fordern:
“Vor zwei Jahren haben wir gesagt, dass wir niemals Raketen und Flugzeuge schicken werden, wir haben es getan. Wir haben zu viele Grenzen gesetzt, in unserem Vokabular. Wir befinden uns nicht in einer Eskalation. Wir, wir befinden uns nicht im Krieg gegen Russland. Wir müssen klar sein, wir dürfen Russland nicht gewinnen lassen … Den Frieden heute zu wollen, bedeutet nicht, die Ukraine im Stich zu lassen, sondern dem Frieden Geltung zu verschaffen.”
Macron rechtfertigte sein Echauffieren mit der anschließenden Bemerkung:
“Es ist dieses Ende der Unbeschwertheit, das ich vor einigen Jahren beschworen habe. Jetzt ist es soweit. Der Krieg ist auf europäischem Boden.”
Als Präsident Frankreichs wolle er aber den Zuschauern versichern, dass das Land unter seiner Führung “eine Friedensmacht” sei. Die Außenpolitik würde unter der Prämisse geführt, dass Frankreich “niemals eine Offensive führen werde, niemals werden wir die Initiative ergreifen”. Er resümierte seine Sicht:
“Um in der Ukraine Frieden zu haben, dürfen wir nicht schwach sein. Wir müssen die Situation klar betrachten und mit Entschlossenheit, Willen und Mut sagen, dass wir bereit sind, die Mittel einzusetzen, um unser Ziel zu erreichen, nämlich dass Russland nicht gewinnt.”
Macron erklärte weiter, dass Frankreich keinen Krieg gegen Russland und das russische Volk führen, sondern “die Ukraine unterstützen” wolle:
“Wir tun alles, damit die Ukraine Russland in die Schranken weisen kann. Es gibt keinen dauerhaften Frieden, wenn es keine Souveränität gibt, keine Rückkehr zu den anerkannten Grenzen der Ukraine [gibt].”
Und laut Macron gehöre dazu auch die Krim. Im Hinblick auf die weltweiten Sorgen über die reale Gefahr eines Atomkriegs, auch unter Franzosen, erklärte Macron, dass die vorhandene “nukleare Kapazität den Franzosen und Französinnen zunächst einmal eine Sicherheit gibt, die nur wenige Länder in der Welt haben”. Seiner Meinung nach impliziere dies Sicherheit und Verantwortung:
“Sie gibt uns eine Verantwortung, nämlich die, eine Macht mit dieser Waffe zu sein und daher niemals zu eskalieren.”
Macron sei sich sicher, dass wenn Russland gewinnen würde, “würde sich das Leben der Franzosen ändern”. Auf die Frage des Moderators, in welcher Form das zu erwarten sei, antwortete Macron: “Wir würden in Europa keine Sicherheit mehr haben.” Und er unterstellte sogleich Russland jegliche Hinterlist:
“Wer kann auch nur eine Sekunde lang glauben, dass Präsident Putin, der keine dieser Grenzen und keine seiner Verpflichtungen eingehalten hat, es dabei belassen würde?”
Für ihn als französischer Präsident sei unmissverständlich klar, dass “die Sicherheit Frankreichs, die Sicherheit Europas und die Sicherheit der Franzosen” aktuell auf dem Gebiet der Ukraine gesichert und besiegelt werden müsse. Ein Sieg Wladimir Putins würde daher dazu führen, dass die “Glaubwürdigkeit Europas auf null sinkt”. Macron richtete abschließend pathetisch noch eine rhetorische Frage an die Zuschauer: “Wie glaubwürdig wäre eine Europäische Union auf unserem Boden, die so etwas zugelassen hätte?”
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