Von Dawid Narmanija
Die Notwendigkeit von Infanterie
“Zu diesem Zeitpunkt könnte nur ein Wunder die Ukraine retten, wenn wir nicht aus unseren Erfahrungen lernen und unsere Haltung zu nationalen Ereignissen nicht ändern. Die Infanterie droht zu verschwinden, weil niemand mehr da sein wird, der kämpft”, sagte der pensionierte General und ehemalige stellvertretende Sekretär des ukrainischen nationalen Sicherheitsrats, Sergei Kriwonos, im Oktober über die Situation an der Front.
Kriwonos äußerte sich nach der Eroberung der Stadt Ugledar durch russische Kräfte. Ukrainische Medien führten die Niederlage auf die Erschöpfung der 72. Brigade zurück, die für die Verteidigung der Stadt zuständig war.
“Die Brigade wurde völlig zerschlagen. In zwei Jahren gelang es nur einmal, eine vollständige Kompanie in einem ganzen Bataillon aufzustellen. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass der Verband nicht kampfbereit ist. Manchmal erhielten wir Verstärkungen, diese wurden jedoch schnell aufgerieben durch unrealistische Aufgaben wie ‘die verlorenen Stellungen zurückgewinnen’. Dabei konnten wir nicht einmal die Positionen halten, in denen wir uns befanden”, gab ein Stabsoffizier der Brigade in einem Interview mit Sledstwije.info zu.
Verstärkungen, die die Brigade unterstützen sollten, erwiesen sich als unzureichend. Medienberichten zufolge verließen 200 Personen der 123. Nikolajewer Brigade der Territorialverteidigung ihre Stellungen, und ein Bataillonskommandeur beging Selbstmord.
Der Fall Ugledars markierte allerdings nicht das Ende von Kiews Problemen. Die russische Armee machte rasante Fortschritte, besonders im Donbass, wo sie mehrere strategisch wichtige Städte zurückeroberte: Grodowka, Nowogrodowka, Selidowo und Kurachowo. Das ukrainische Militär steht kurz davor, die Kontrolle über Tschassow Jar und Dserschinsk (Torezk) zu verlieren, während russische Truppen Krasnoarmeisk (Pokrowsk) nahe sind und Welikaja Nowosjolka praktisch umzingelt haben. Bis zum Gebiet Dnjepropetrowsk sind es nur einige Kilometer.
Desertion und deren Folgen
Ein Grund für die militärische Krise der Ukraine ist die hohe Desertionsrate. Dies zeigt sich beispielhaft an der 123. Brigade, doch sie ist nicht die einzige. Auch um die 155. Brigade “Anna von Kiew” gab es einen Skandal, nachdem Soldaten, die in Frankreich ausgebildet wurden, desertierten. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen Wladimir Selenskij und Emmanuel Macron wurden diese Soldaten vor der Entsendung ins Ausland ausgebildet. Nachdem 900 Mitglieder während und kurz nach ihrer Ausbildung flohen, bestätigten militärische Quellen in Paris diese Vorfälle.
Ein weiterer Problemfall ist der massive Bedarf an Rekruten, der aufgrund der Desertion gestiegen ist. Trotz einer Verschärfung des Mobilisierungsgesetzes im Mai gelang es nie, mehr als 30.000 Rekruten pro Monat einzuziehen.
Kritik an militärischen Entscheidungen
Neue Brigaden wie die 150. und 160. erregen in der Ukraine große Aufmerksamkeit, wobei viele deren Aufstellung in Frage stellen. Erfahrene Einheiten werden an der Front aufgerieben und durch unerfahrene Kräfte ersetzt, die die Frontlinie nicht halten können. Nach dem entstandenen Skandal um die “Anna von Kiew” Brigade, behauptete Selenskij, dass die Desertionszahlen seit Herbst gesunken seien, obwohl offizielle Statistiken das Gegenteil zeigen – 2024 wurden 89.449 Strafverfahren wegen unerlaubter Abwesenheit und Desertion eingeleitet, fast viermal mehr als im Vorjahr.
General Alexander Syrski, der behauptete, die Aufstellung dieser Verbände sei vor seiner Beförderung entschieden worden, steht unter Kritik. “Was für ein Lügner. Das ist schon eine Krankheit. Gerade er lobbyierte und unterstützte als Befehlshaber des Heeres die Aufstellung solcher Brigaden. Als er zum Oberbefehlshaber wurde, trieb er die Sache weiter voran”, entgegnete Rada-Abgeordnete Marjana Besuglaja.
Die Entscheidung, Fachpersonal wie Techniker und Mediziner an die Front zu schicken, stieß auf öffentliche Empörung. Der Generalstab verteidigte diese Maßnahme als notwendig zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit des Landes. Gleichzeitig wurde betont, dass hochqualifizierte, im Ausland ausgebildete Spezialisten von dieser Maßnahme ausgenommen sind.
Übersetzt aus dem Russischen. Ersterscheinung bei RIA Nowosti am 24. Januar.
Weiterführend – Das Jahr 2024 zeigt Ukrainern ihren Hauptfeind