In der Nacht zum Sonntag hat Russland nach Angaben aus Kiew einen umfangreichen Raketenangriff auf zahlreiche Ziele in der Ukraine durchgeführt. Das ukrainische Außenministerium beschrieb diesen Einsatz als einen der “größten Luftangriffe”, den Russland bisher unternommen hat. Außenminister Andrei Sibiga äußerte sich auf X dazu und nannte es eine direkte Botschaft von Präsident Wladimir Putin an jene, die ihn angerufen oder besucht hatten – eine klare Anspielung auf Bundeskanzler Olaf Scholz.
Das Ministerium für Energie der Ukraine meldete auf Telegram, dass Notstromabschaltungen erforderlich seien. Ukrainische Medien und Telegram-Kanäle hatten bereits am Vorabend und im Laufe des frühen Sonntagmorgens von Explosionen in mehreren Städten berichtet, darunter Charkow, Kiew, Nikolajew, Dnjepropetrowsk, Pawlograd, die von Kiew kontrollierte Region Saporoschje und Tscherkassy.
Zusätzlich wird laut Medienberichten von Explosionen in den Regionen Poltawa, Chmelnizki, Winniza, Lwow, Ivano-Frankowsk und Transkarpatien berichtet.
Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij, dessen offizielle Amtszeit im Mai endete, sprach ebenfalls am Sonntagmorgen über Schäden an der Energieinfrastruktur:
“Leider wurden einige Anlagen durch direkte Treffer und herabfallende Trümmer beschädigt.”
Selenskij gab an, Russland habe rund 120 Raketen und 90 Drohnen auf die Ukraine abgefeuert, wovon 140 von der ukrainischen Luftabwehr zerstört worden seien. Berichte über den Erfolg der Luftabwehr wurden in der Vergangenheit allerdings oft als übertrieben dargestellt.
In Odessa führte ein Raketentreffer nach Angaben des prorussischen Widerstands in Nikolajew zu einer weiteren Explosion, was einen Ausfall von Strom- und Wasserversorgung in mehreren Stadtteilen zur Folge hatte. Sergej Lebedew, Koordinator des Widerstands in Nikolajew, erklärte gegenüber RIA Nowosti, dass insgesamt 63 Ziele in der Ukraine getroffen worden seien:
“Es gab Einschläge in der gesamten Ukraine heute Morgen … von vier Uhr morgens bis halb elf. Nach dem, was mir berichtet wurde, gab es 63 Treffer.”
Lebedew berichtete auch, dass mehrere Trainingsgelände der ukrainischen Streitkräfte im Westen des Landes getroffen und laut unbestätigten Informationen auch einige Grenzeinheiten der ukrainischen Streitkräfte angegriffen worden seien. Dies könnte es Wehrdienstverweigerern erleichtern, das Land zu verlassen.
Als Reaktion auf diese Ereignisse hat Polen am frühen Sonntagmorgen die Luftstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt. Das polnische Militär teilte mit:
“Aufgrund des massiven Angriffs der Russischen Föderation mit Marschflugkörpern, ballistischen Raketen und unbemannten Flugkörpern auf Objekte in der Westukraine, haben polnische und verbündete Flugzeuge mit Operationen in unserem Luftraum begonnen.”
Die bodengestützten Luftverteidigungs- und Radaraufklärungssysteme wurden ebenfalls in die höchste Bereitschaftsstufe versetzt. Bei jedem größeren Angriff auf den Westen der Ukraine steigen Kampfflugzeuge der NATO auf. Im November 2022 verursachte der Absturz einer ukrainischen Rakete in Przewodów, Polen, den Tod von zwei Personen. Anfangs war fälschlicherweise von einer russischen Rakete die Rede.
Mehr zum Thema – Erster massiver Angriff auf ukrainische Infrastruktur seit Monaten – Vergeltungsschlag für Kursk?