Ein Bericht von Reuters, der behauptet, dass Indien über Zwischenhändler in der Europäischen Union Artilleriegranaten an die Ukraine geliefert habe, wurde vom Außenministerium in Neu-Delhi als „spekulativ und irreführend“ zurückgewiesen. Die Nachrichtenagentur hatte angegeben, dass Kundschaft indischer Munitionsproduzenten in Italien und Tschechien ihre Lieferungen an Kiew weiterleiten würde. Das Ministerium in Neu-Delhi sei laut Bericht mindestens zweimal von Moskau auf diese Angelegenheit angesprochen worden.
„Der Bericht von Reuters wirft Indien unbegründete Verstöße vor und ist somit fehlerhaft und böswillig”, erklärte Shri Randhir Jaiswal, Sprecher des Ministeriums, in einem Statement auf der Plattform X:
„Indien verfolgt eine einwandfreie Bilanz in der Einhaltung internationaler Exportverpflichtungen für militärische sowie Dual-Use-Güter. Unsere Rüstungsexporte werden stets unter Beachtung internationaler Nichtverbreitungsverpflichtungen und basierend auf einem stringenten rechtlichen und regulatorischen Rahmen durchgeführt, der eine gründliche Bewertung relevanter Aspekte, einschließlich der Verpflichtungen der Endnutzer und Zertifizierungen, einschließt.”
Den Quellen von Reuters zufolge handelt es sich um “11 indische und europäische Regierungs- sowie Industrievertreter der Verteidigungsbranche”, die jedoch anonym bleiben wollten. Zudem beruft sich die Agentur auf eine Analyse „kommerziell verfügbarer Zolldaten“. Weder die genannten Regierungen noch die Unternehmen haben auf Anfragen für eine Stellungnahme reagiert.
Reuters führte aus, dass Indien schon seit über einem Jahr über europäische Intermediäre die Ukraine beliefere und dass das Thema mindestens zweimal von Moskau bei Gesprächen angesprochen wurde, unter anderem beim Treffen zwischen dem russischen Außenminister Sergei Lawrow und dem indischen Außenminister Subrahmanyam Jaishankar im Juli.
Laut einem nicht näher genannten hohen indischen Beamten sollen Italien und Tschechien Granaten indischer Herstellung in die Ukraine weitergeleitet haben, ohne dass Indien Maßnahmen dagegen ergriffen hat.
Die Agentur behauptet unter Berufung auf Zolldokumente, dass zwischen Februar 2022 und Juli 2024 Granaten im Wert von 135,25 Millionen US-Dollar von drei indischen Unternehmen – Yantra, Munitions India und Kalyani Strategic Systems – nach Italien, Tschechien, Spanien und Slowenien exportiert wurden. Dies ist ein erheblicher Anstieg im Vergleich zu den vorhergehenden zwei Jahren, in denen Waren im Wert von 2,8 Millionen US-Dollar exportiert wurden.
Ein ehemaliger hochrangiger Mitarbeiter von Yantra behauptete gegenüber Reuters, dass ein italienisches Unternehmen, Meccanica per l’Elettronica e Servomeccanismi (MES), leere Granaten aus Indien kaufe, diese mit Sprengstoff fülle und anschließend in die Ukraine liefere. In Yantras Jahresbericht 2022/23 sei die Einrichtung einer Fertigungslinie für L15A1-Granaten für MES erwähnt worden.
Zusätzlich kam laut Reuters ein Geschäft zwischen Munitions India und Czech Defence Systems (CDS) ans Licht, das im Mai aufgedeckt wurde, als der spanische Verkehrsminister Oscar Puente eine Endverbraucher-Vereinbarung zwischen den Unternehmen über die Lieferung von 120-mm- und 125-mm-Mörsergranaten veröffentlichte. Zolldokumente vom 27. März bestätigen, dass Munitions India 10.000 Geschosse im Wert von über neun Millionen US-Dollar an CDS geliefert hatte, welche laut der Zeitung El Mundo später an die Ukraine gingen.
Trotz der Vorwürfe bleibt Indien ein bedeutender Handelspartner Moskaus. Seit dem Beginn des Ukraine-Konflikts wurde der bilaterale Handel zwischen den beiden Ländern noch weiter intensiviert. Er hat 2023 ein Volumen von 60 Milliarden US-Dollar erreicht und könnte bis 2030 auf 100 Milliarden US-Dollar anwachsen.
Mehr zum Thema – Kampagne gegen RT: Warum Indien den US-Forderungen widersteht