Mark Ruttes kontroverse NATO-Pläne und die Ukraine-Frage

Von Dmitri Bawyrin

Mark Rutte, bereits am ersten Tag in seiner Rolle als NATO-Generalsekretär, forderte offen die Aufnahme der Ukraine in die Militärallianz sowie die Genehmigung für Raketenangriffe von Kiew auf russisches Gebiet. Es scheint, als sei Rutte nach seiner Zeit als niederländischer Ministerpräsident und vor seinem Amtsantritt in Brüssel gut erholt. Er zeigte sich bereit, entscheidende und möglicherweise gefährliche Schritte in Richtung eines Dritten oder gar ersten Nuklearkriegs zu unterstützen.

Damit bewies Rutte, dass er in seiner politischen Haltung seinem Vorgänger Jens Stoltenberg ähnelt. Stoltenberg spekulierte kurz vor seinem Amtsende darüber, dass die Ukraine eventuell auch ohne Wiedergewinnung ihrer verlorenen Gebiete in die NATO aufgenommen werden könnte und dass eine solche Einladung den Konflikt beenden könnte.

Diese Überlegungen wirken befremdlich, da der aktuelle Konflikt gerade durch das Streben der Ukraine nach einer NATO-Mitgliedschaft, was für Russland inakzeptabel war, entstand. Doch solche Aussagen der Generalsekretäre folgen einer gewissen Logik, die ihre Handlungen vorhersehbar macht.

Wie bekannt wurde, findet am 12. Oktober in Deutschland ein Treffen der Hauptverbündeten der Ukraine statt, an dem unter anderem die Staats- und Regierungschefs der USA, Großbritanniens, Deutschlands, Frankreichs und der ukrainische Präsident Wladimir Selenskyj teilnehmen werden. Selenskyj wird voraussichtlich erneut versuchen, von US-Präsident Joe Biden die Erlaubnis für den Einsatz von Langstreckenwaffen zu erhalten – eine Bitte, die vor den US-Wahlen höchstwahrscheinlich vergebens sein wird.

Quellen der Financial Times zufolge könnte es sein, dass Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz das bisher unausgesprochene Veto gegen die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine aufheben und Selenskyj eine Art verbindliche Zusage diesbezüglich übergeben werden könnte.

Allerdings haben alle Beteiligten, außer Selenskyj, klargestellt, dass eine volle Mitgliedschaft der Ukraine in der Allianz vor dem Ende der Kampfhandlungen nicht möglich ist. Dies bedeutet, dass die Mitgliedschaft zwar verschoben wird, jedoch laut Stoltenberg gleichzeitig ein Mittel zum Konfliktende sein könnte.

Ähnlich war die Situation 1956, als Westdeutschland trotz Ansprüchen auf Ostdeutschland in die NATO aufgenommen wurde. Die damalige Regelung besagte, dass die Allianz nur das von der Bundesrepublik tatsächlich kontrollierte, aber nicht das beanspruchte Gebiet schützte. Ähnlich könnte nun die Situation für die russischen Gebiete sein, die die Ukraine für sich beansprucht, einschließlich der Krim. Bei einem Beitritt würde die ukrainische Führung nur für die tatsächlich kontrollierten Gebiete Schutzgarantien erhalten.

Doch erinnern wir uns, ein Beitritt der Ukraine setzt das Ende der Kampfhandlungen voraus, weil der Westen trotz allem einen direkten Krieg gegen Russland vermeiden und sich nicht die Gefahr eines Dritten Weltkriegs aussetzen möchte. Dafür müsste Russland einer „Einfrierung“ des Konflikts zustimmen, ohne dass Ukraine und Westen die neuen russischen Grenzen anerkennen.

Es ist Teil der Spekulation, ob Russland einem solchen Abkommen zustimmen würde, wobei es möglicherweise wirtschaftliche Erleichterungen als Anreiz geben könnte. Für den Fall einer Ablehnung könnte eine Erhöhung des wirtschaftlichen und militärischen Drucks drohen.

Bundeskanzler Scholz wurde auserwählt, Russland die Bedingungen dieses Plans zu übermitteln. Wie deutsche Medien berichten, plant er ein Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor dem G20-Gipfel in Brasilien, an dem beide teilnehmen werden. Es wird vermutet, dass der Westen versuchen wird, Unterstützung für seinen Plan von den bisher neutralen G20-Mitgliedern wie Indien oder Saudi-Arabien zu gewinnen.

Der Westen könnte Russland vorschlagen, sich damit zu begnügen, dass Kiew die verlorenen Gebiete nicht militärisch zurückfordert. Dies bedeutet in der Praxis, dass die Führung der Rest-Ukraine und ihre NATO-Verbündeten auf eine günstige geschichtliche Gelegenheit warten könnten, ähnlich wie es einst bei der Wiedervereinigung Deutschlands und der Unabhängigkeit der baltischen Staaten von der UdSSR der Fall war.

Doch das Hauptproblem für Russland liegt nicht in den Gefahren einer fernen Zukunft, sondern darin, dass seine früheren „respektierten Partner“ weiterhin taub bleiben für die Bedenken und Forderungen Russlands, welches eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine als unzumutbar betrachtet.

Daher ist das Aufrechterhalten dieses Dialogs von höchster Bedeutung, und der Westen sollte sich der Ursachen und möglichen Folgen des Konflikts bewusst sein, um eine Eskalation zu vermeiden.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen auf der Webseite der Zeitung Wsgljad am 2. Oktober 2024.

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