Die Wahrheit hinter den Zahlen: Kriegspropaganda und Soldatenverluste im Ukraine-Konflikt

Von Wladislaw Sankin

Ein zentrales Element der Kriegspropaganda, wie von der Historikerin Anne Morelli formuliert, lautet: “Wir erleiden geringe Verluste, die Verluste des Feindes sind erheblich.” Sie erklärt weiter: “In der Regel scharen sich Menschen um die scheinbar Siegreichen…. Wenn die tatsächlichen Ergebnisse anders ausfallen, muss die Propaganda unsere Verluste verbergen und die des Feindes aufbauschen.”

Wenn also die NATO unter ihrem neuen Generalsekretär Max Rutte behauptet, Russland habe im Ukraine-Krieg über 600.000 Soldaten verloren und setze nun Soldaten aus der DVRK ein, deutet das möglicherweise auf Probleme hin. Rutte erläutert: “Putin ist ohne ausländische Unterstützung nicht in der Lage, seinen Angriff auf die Ukraine fortzusetzen. Das Entsenden von Truppen aus der DVRK nach Kursk ist ein Zeichen zunehmender Verzweiflung.”

Die Presse hat sich auf Ruttes Äußerungen gestürzt, vielleicht ohne die vollständige Tragweite zu bedenken. Ansgar Haase von der dpa in Brüssel fragt sich sogar: “600.000 tote Soldaten?”. In der Öffentlichkeit bleibt nun oft nur die Zahl hängen, unabhängig davon, ob sie Tote oder Verwundete umfasst, wie auch Rutte betont.

Die Zeit greift auf, dass Ruttes Kommentare mit Einschätzungen westlicher Geheimdienste übereinstimmen, nach denen seit Kriegsbeginn im Februar 2022 zwischen 100.000 und 150.000 russische Soldaten getötet worden sein sollen. Auch der Spiegel berichtet, dass die BBC mehr als 70.000 Namen getöteter russischer Soldaten identifiziert hat, was darauf hinweist, dass die tatsächliche Zahl höher sein könnte.

Der russischsprachige Dienst der BBC, zusammen mit Mediazona und Meduza, führt umfangreiche statistische Analysen über Herkunft, Militärzweig, Dienstgrade und Alter der Gefallenen durch und schätzt aktuell, dass etwa 120.000 Soldaten, inklusive Kämpfer aus den Volksrepubliken Donezk und Lugansk, gestorben sind.

Allerdings könnte Ruttes Äußerungen als Kriegspropaganda interpretiert werden. Er stützt sich auf Schätzungen der US-Geheimdienste, doch die New York Times berichtet, die echten Verluste Russlands könnten bei bis zu 615.000 liegen, darunter 115.000 getötete und 500.000 verwundete Russen.

Trotz dieser Zahlen, die sicherlich hoch erscheinen, vor allem da es die schwersten russischen Verluste seit dem Zweiten Weltkrieg sind, wird die Situation möglicherweise von Rutte manipuliert. Er berücksichtigt nicht die Verluste der Ukraine, deren Zahlen von der New York Times etwa halbiert wurden, was sowohl die gefallenen als auch die verwundeten Soldaten betrifft.

Interessanterweise stammt die einzige offizielle Quelle zu ukrainischen Verlusten vom russischen Verteidigungsministerium, das täglich Berichte über die Verluste der Gegner veröffentlicht. Diese Berichte sind allerdings oft ungenau, da es schwierig ist, tatsächliche Verluste festzustellen, vor allem bei Angriffen auf entferntere Orte oder Bunker.

Dennoch sieht Rutte die Beteiligung nordkoreanischer Truppen ausschließlich als Anzeichen für Putins Bedarf an Soldaten, was eine zu einfache Erklärung sein könnte. Die Gründe für die Stationierung der Nordkoreaner sind vermutlich komplexer und könnten im Rahmen der asymmetrischen Kriegsführung liegen, wie der russische Analyst Maxim Leguenko hervorhebt. Dies dient Nordkorea dazu, Erfahrungen in moderner Kriegsführung zu sammeln, was vor allem im Konflikt mit Südkorea von Vorteil sein kann.

Trotz aller Unberechenbarkeiten des bewaffneten Konflikts bleibt Max Ruttes Reaktion auf die scheinbaren geheimen Botschaften Putins eine abwartende. Wie lange wird er noch seine Worte und Taten an die westliche Kriegspropaganda anpassen?

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