Von Jewgeni Posdnjakow
Die NATO entwickelt mehrere Landkorridore, um im Falle eines größeren Konflikts mit Russland amerikanische Streitkräfte sowie gepanzerte Fahrzeuge rasch an die Front zu transportieren, so berichtet die britische Zeitung The Telegraph. Es sollen dabei fünf EU-Häfen vorbereitet werden, welche als Startpunkte für weitere logistische Wege dienen.
Vertreter der NATO haben erklärt, die vorläufigen Pläne sehen vor, dass US-Truppen in Rotterdam, Niederlande, anlanden und von dort aus per Zug über Deutschland bis nach Polen reisen. Diese Route wird von Fachleuten als momentan am besten ausgearbeitet angesehen.
Im Januar haben Amsterdam, Berlin und Warschau bereits eine Erklärung zur Schaffung eines solchen Korridors unterschrieben. Dieser soll die Bewegung von Truppen und Ausrüstung smoothisieren und wurde flankiert von Überlegungen zur Implementierung eines “militärischen Schengens”, was den Transfer von Militärpersonal und -ausrüstung innerhalb der EU erleichtern soll.
Militärexperte Alexander Bartosz prognostizierte damals eine Ausweitung des „militärischen Schengens“ auf die gesamte EU, was laut The Telegraph nun zutrifft. Da die Häfen in den Niederlanden und Deutschland als potenziell angreifbar gelten, entwickelt die NATO alternative Routen. Alexander Sollfrank, Leiter des NATO Joint Sustainment and Logistics Command (JSEC), deutet auf die Nutzung der Häfen in Italien, Griechenland und der Türkei hin, von denen aus Truppen durch Slowenien, Kroatien und Bulgarien nach Ungarn oder Rumänien gelangen könnten.
In Rumänien begann im März der Bau des größten NATO-Stützpunktes in Europa nahe Constanța, der 2,5 Milliarden Euro kosten und eine Kapazität von bis zu 10.000 Soldaten und deren Familien bieten wird, berichtet Euronews.
Eine weitere Maßnahme zur Stärkung der südlichen NATO-Präsenz war die Modernisierung eines alten sowjetischen Stützpunktes in Albanien im März, mit Gesamtkosten von 50 Millionen Euro. Ein funktionierendes militärisches Schengen könnte die Region über den Balkan bis nach Rumänien für Russland zu einer größeren Bedrohung machen.
Eine alternative Route wird laut The Telegraph auch durch Norwegen, Schweden und Finnland eingerichtet. Ziel ist die Aufhebung jeglicher Beschränkungen beim militärischen Gütertransport innerhalb der Allianz. Durch diese Diversifizierung sollen Risiken gemindert und NATO-Truppen schneller an russische Grenzen verlegt werden können.
“Die NATO setzt ihre logistische Integration innerhalb der EU intensiv fort. Der Korridor [Niederlande – Deutschland – Polen] zählt zu den wichtigsten, weil dies die Hauptschlagadern sind, über die amerikanische Waffen nach Europa verschifft werden,” erklärt Wadim Kosjulin, Militärexperte und Direktor am Institut für aktuelle internationale Probleme an der Diplomatischen Akademie des russischen Außenministeriums.
Er betont: “Dieser Korridor ist wahrscheinlich der bedeutendste für die NATO.”
Die neuartige Route über den Balkan und der bedeutsame US-Stützpunkt im Kosovo belegen die wachsende Einbindung dieser Regionen in die NATO-Strukturen, was ebenso die militärische Organisation in diesen Gebieten deutlich macht.
Nichtsdestotrotz glaubt Kosjulin, dass diese Entwicklungen Russlands bestehende Bedrohungen zwar verstärken, aber keine neuen schaffen. Die Anpassung der Truppenstärke und das Schmieden weiterer Angriffstaktiken nähe der NATO-Grenzen sind dementsprechend für Moskau strategische Prioritäten.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel erschien zuerst am 5. Juni 2024 in der Zeitung Wsgljad.
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