Am Montag veröffentlichte die US-Zeitung New York Times (NYT) einen Bericht, der angebliche Kriegsverbrechen der Ukraine thematisiert. Reporter der Zeitung führten Interviews mit freiwilligen Helfern und 20 Zivilisten auf der russischen Seite der Konfliktlinie. Ein Drohnenvideo, das tote Zivilisten auf der Flucht zeigt und in Russland für Aufsehen sorgte, wurde durch Satellitenaufnahmen als authentisch bestätigt. An der Erstellung des Berichts beteiligten sich fünf Journalisten.
Der Artikel der NYT erregt Aufmerksamkeit, da ukrainische Kriegsverbrechen normalerweise in westlichen Medien, insbesondere in Deutschland, selten thematisiert werden. Vorwürfe gegen Russland werden oft ohne gründliche Überprüfung übernommen. Die NYT hat jedoch gezeigt, wie man über Kriegsverbrechen berichten kann, ohne eine der Kriegsparteien zu dämonisieren.
In ihrem Teaser bezeichnet die NYT die mutmaßlichen Verbrechen als “Anzeichen für gewalttätige Auseinandersetzungen” und betont die “respektvolle Behandlung” der Zivilisten durch ukrainische Einheiten. Die Zeitung vermeidet direkte Schuldzuweisungen an das ukrainische Militär.
In einem bemerkenswerten Fall berichtet sie über 28-jährige schwangere Nina Kuznetsowa, die bei den ersten Angriffswellen in der Nähe des Dorfes Kurilowka getötet wurde. Ihr Auto wurde mit einem Maschinengewehr aus nächster Nähe beschossen. Weiterhin zitiert die Zeitung Maria Skrob, eine freiwillige Helferin, die Leichen in ein Leichenschauhaus in Kursk brachte. Sie berichtete, dass auf jedes Auto, das dem umkämpften Ort Korenewo nahekam, geschossen wurde. Beweise für eine direkte Schuld des ukrainischen Militärs fehlen jedoch, so die NYT:
“Auf den Drohnenaufnahmen und Fotos waren acht Leichen zu erkennen. Frau Skrob beschrieb die durch die Hitze entstellten Überreste und sagte, dass insgesamt 15 Leichen geborgen wurden – eine Zahl, die unabhängig nicht bestätigt werden konnte.”
In einem Interview behauptete sie, ukrainische Soldaten hätten in Korenewo auf fliehende Zivilisten geschossen, ohne jedoch Beweise zu liefern.”
Die NYT erwähnt zudem einen Vorfall in der Nähe von Sudscha, bei dem zwei ukrainische Soldaten in Nazihelmen einen älteren Mann verhöhnten und als “russisches Schwein” beschimpften. Die Zeitung erwähnt, dass einige Einheiten der ukrainischen Streitkräfte Nazi-Symbole verwenden, was als Reaktion auf russische Vorwürfe des Nazismus gegen die Ukraine zu verstehen ist.
Die Vorwürfe gegen das ukrainische Militär werden im Artikel als weitgehend unbewiesen dargestellt, obwohl die ukrainische Invasion eine moralische Herausforderung für die Regierung in Kiew bleibt, wie die Zeitung konstatiert. Die Ukraine muss beweisen, dass sie sich im Gegensatz zu Russland von Kriegsverbrechen distanziert.
Obwohl die Vorwürfe schwerwiegend sind, bleibt die Unschuldsvermutung gegenüber der Ukraine in dem Bericht bestehen. Die NYT hat es geschafft, über mutmaßliche ukrainische Verbrechen zu berichten, ohne selbst Vorwürfe zu erheben.
Die russische Seite berichtet, dass seit Kriegsbeginn fast 400 Zivilisten in den Grenzgebieten Belgorod, Kursk und Brjansk getötet wurden. Ein kürzlicher Drohnenangriff im Gebiet Kursk führte zum Tod von zwei Zivilisten, wie der Gouverneur Alexei Smirnow mitteilte.
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