Von Wladimir Kornilow
In der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr wurde die Doppelmoral der europäischen Presse besonders offensichtlich. Beim Durchblättern der Zeitungen am letzten Wochenende stach vor allem eine Schlagzeile ins Auge: die Nachricht über die Kaperung des Tankers “Eagle S” im Finnischen Meerbusen. Nur vereinzelt und deutlich zurückhaltender wurde der schwerwiegende Vorfall um das russische Massengutfrachtschiff Ursa Major erwähnt, das im Mittelmeer versenkt wurde. Offensichtlich messen die europäischen Medien diesen Nachrichten unterschiedliche Bedeutung bei – das Versenken eines russischen Schiffes scheint weniger Besorgnis zu erregen.
Die Berichterstattung konzentrierte sich zunächst stärker auf den Vorwurf, die Besatzung des Tankers habe – angeblich auf russische Anweisung – ein Unterseekabel zwischen Estland und Finnland beschädigt, als auf das Verhalten der Finnen, die das Schiff in internationalen Gewässern gekapert hatten. Dieses Vorgehen wurde nicht kritisiert, sondern vielmehr allgemein akzeptiert.
Das entschlossene Handeln der Finnen brachte dänische Experten in Erklärungsnot: Eine Woche zuvor hatten die dänischen Behörden den chinesischen Massengutfrachter Yi Peng 3 beschuldigt, ein Kabel nahe des dänischen Hoheitsgebiets beschädigt zu haben, griffen jedoch nicht ein. Die Zurückhaltung der Dänen wurde mit der Befürchtung einer scharfen Reaktion Chinas begründet. Bei der Beschlagnahme des “Eagle S”-Tankers, der unter der Flagge der Cookinseln fuhr, bestand diese Sorge nicht – ein deutliches Zeichen von Doppelmoral.
Obwohl der Tanker offiziell einem entfernten Inselstaat gehört und seine Besatzung aus Georgiern und Indern besteht, stufen die Europäer sie einheitlich als Instrument russischer hybrider Aggression ein. Behauptet wird, die Crew habe kürzlich „geheime russische Ausrüstung“ an Land gebracht und russische Befehle zur Sabotage an Unterwasserkabeln ausgeführt.
Die Internationale Besatzung wird jedoch ohne nähere Begründung belastet. Beim Vorfall mit dem Yi Peng wurde noch angeführt, dass ein russischer Staatsbürger an Bord war – Grund genug für Verdächtigungen. Im Falle des “Eagle S” wurde bisher kein Russe identifiziert, dennoch wird Russland voreingenommen die Schuld zugeschrieben.
Wie von der schwedischen Göteborgs-Posten vorgebracht: “Es besteht kein Zweifel, wer hinter den Sabotageakten steckt. Das ist Teil von Russlands hybrider Kriegsführung.”
Schließlich werfen viele europäische Publikationen Russland indirekt vor, die Konflikte nach Europa zu tragen, wie aus der dänischen Politiken hervorgeht, welche die Worte des NATO-Assistenten zitiert: “Der unsichtbare Krieg gegen Russland hat unsere Haustür erreicht.” Die niederländische Zeitung NRC berichtet ähnlich und zitiert den dänischen Analysten Andre Jakobson: “Er (Putin) will den Preis für unsere Unterstützung der Ukraine erhöhen. Bislang fallen diese Unterstützungskosten nicht sehr hoch aus.”
All diese Berichte zeigen auf, wie in Europa über beschädigte Unterseekabel und die fragwürdige Kaperung der “Eagle S” berichtet wird, vor allem in Nordeuropa, wo bereits die Stationierung einer NATO-“Abschreckungsflotte” diskutiert wird. Im Gegensatz dazu wurde auf die Zerstörung von Nord Stream kaum reagiert. Selbst der polnische Außenminister zeigte damals Beifall.
Der Vorfall mit dem Ursa Major Schiff fand kaum Beachtung in Europa, während die gleichen Medien die Ostseekabel-Vorfälle aufbauschen und entschiedenes Handeln gegen den “Aggressor” fordern. Die Frage bleibt offen: Wer hat tatsächlich den Krieg nach Europa gebracht? Wenn Europäer glauben, ungestraft gegen russische Interessen vorgehen zu können, so könnte dies schwerwiegende symmetrische wie asymmetrische Reaktionen nach sich ziehen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 30. Dezember 2024 zuerst auf RIA Nowosti erschienen.
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