Von Rainer Rupp
Nur wenige Tage nachdem die New York Times ausführlich über die tiefgreifende Beteiligung des US-Militärs im Ukraine-Konflikt berichtet hatte, legte die Times of London ein Schlaglicht auf das britische Militär und dessen noch verheerenderen Einsatz in derselben Region. Obgleich die Information von der New York Times eigentlich keinen Neuigkeitswert hatte, indem sie bekannte Fakten über die aktive Rolle der USA in Kampfhandlungen gegen Russland vor 2022 nur bestätigte, eröffnete sie doch Einblicke in bis dahin unbekannte Aspekte der britischen Beteiligung am Stellvertreterkrieg.
Die Veröffentlichung in der Times of London erscheint als ein paradoxes Zusammenwirken aus teilweiser Enthüllung und Krisenmanagement, das noch lange nicht das ganze Ausmaß der britischen Rolle im Konflikt preisgibt – das wird sich erst in der Zukunft zeigen. Warum also entschied sich eine führende britische Zeitung jetzt für diese Publikation, die direkt aus den Kreisen des britischen Verteidigungsministeriums zu stammen scheint? Der Artikel zitiert sogar ehemalige Beamte und diskutiert offen die Rolle von führenden Politikern wie Wallace und Radekin in dem, was nun als Krieg gegen Russland bezeichnet wird.
Interessanterweise, obwohl die Enthüllungen der New York Times im März kaum Überraschungen für regelmäßige Leser von RT DE boten, versuchten sie doch, die Strategie der US-Administration in der Ukraine als Erfolg darzustellen. Allerdings deutet der Artikel darauf hin, dass das Scheitern einzig den ukrainischen Führungskräften zuzuschreiben sei. Zudem stieß Ben Wallace in Großbritannien eine militärische Initiative an, die im Sommer 2023 zu einer fatalen ukrainischen Gegenoffensive führte und etwa 100.000 Soldaten kostete, ohne nennenswerte Geländegewinne zu erzielen.
Die britische Presselandschaft verschwieg weitgehend, dass das Debakel vorhersehbar war, bedingt durch russische Verteidigungsstellungen und das vorherige Bekanntgeben der ukrainischen Angriffspläne. Im Artikel der Times of London wird jedoch offengelegt, wie intensiv die britische Regierung nicht nur die Planung, sondern auch die Durchführung der Gegenoffensive betreute – ein Frontabschnitt wurde sogar nach Ben Wallace benannt.
Ebenso bemerkenswert ist die Übertragung der Leitung der Ukraine Defence Contact Group von den USA an Großbritannien. Hiermit wird vielleicht eine tiefere britische (und europäische) Verstrickung in den Konflikt vorbereitet, trotz der offensichtlichen Misserfolge, die im Artikel nur halbherzig kaschiert werden.
Letztendlich scheint das britische politische und militärische Establishment entschlossen, den Krieg fortzusetzen, evtl. sogar mit zusätzlicher Entsendung von britischen und französischen Truppen, wie aus dem Kontext des Artikels hervorgeht. Diese strategische Positionierung durch die Times legt den Grundstein für eine möglicherweise eskalierende Beteiligung Großbritanniens im Ukraine-Krieg, insbesondere wenn die USA sich weiter zurückziehen sollten.
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